Die rudimentäre Körperpflege bei Hofe

300 Exponate rund um die Themen Toilette, Waschen und Frisieren sind im Schwetzinger Schloss zu sehen. Die Geschichten dazu sind oft pikant.

Von Julia Schweizer Veröffentlicht:
Kunsthändler Volker Brinkmann mit einer Waschschüssel.

Kunsthändler Volker Brinkmann mit einer Waschschüssel.

© Schweizer / dpa

SCHWETZINGEN. Kleine Blumen, ein goldfarbener Rand und ein elegant geschwungener Henkel mit einer Muschel, um dem Daumen Halt zu geben: Das Porzellangefäß sieht eigentlich aus wie eine Sauciere - doch in dem sonst selten zu sehenden Ausstellungsstück war vor rund 250 Jahren eine ganz andere Flüssigkeit. Das sogenannte Bourdalou war quasi ein Urinal für Frauen - ergonomisch geformt, versteht sich. Und "exquisit bemalt", sagt Volker Brinkmann.

Für lange Predigten nahmen die Frauen Nachttöpfe mit

Der Kunsthändler leiht der Ausstellung "Das stille Örtchen - Tabu und Reinlichkeit bey Hofe" im Schwetzinger Schloss in Baden-Württemberg sein Bourdalou für rund vier Monate aus. Erfunden worden sein soll es wegen Jesuitenpater Louis Bourdaloue, der am Hof des französischen Königs Ludwig XIV. als Geistlicher oft lange Predigten hielt.

Weil diese so fesselnd gewesen sein sollen, dass viele Frauen die Kirche nicht einmal für ihre Notdurft verlassen wollten, nahmen sie die Nachttöpfe mit, die man unter den weiten Röcken auch im Stehen benutzen konnte.

Brinkmann, der seit 30 Jahren Frankenthaler Porzellan sammelt, leiht der am Samstag beginnenden Ausstellung zudem eine Waschschüssel und einen Spucknapf. "Spucken war sehr wichtig", erklärt der Kurator der Schau, Wolfgang Wiese. Die Menschen hätten geglaubt, damit Krankheiten aus ihrem Körper entfernen zu können.

Toilettenläppchen aus Leinen oder Papier

Mit der Ausstellung über eigentlich so alltägliche Dinge wie Körperpflege, aber auch Frisieren und Schminken hätten sie oft "wissenschaftliches Neuland" betreten, sagte Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten. Die Macher der Schau mit rund 300 Exponaten hätten viel Forschungsarbeit leisten müssen, um die Hintergründe der Exponate zu erfassen.

Doch die Besucher sollen nicht nur sehen, wie sich die Adligen früher frisierten oder wuschen - das taten sie zuweilen öfter, als gemeinhin angenommen -, sie sollen auch mit anderen Sinnen angesprochen werden.

So werden sie in der bis zum 12. Februar dauernden Schau eine Wasserspülung eines frühen "Water Closets" hören oder sogenannte Toilettenläppchen aus Leinen, Papier oder Schwämmchen anfassen können.

Und erriechen, wie die Adligen damals oft mit Parfüm übertünchten, dass sie aufgrund ihrer komplizierten Frisuren oder Kleidung eben doch nicht so oft badeten. Oder es bei spannenden Predigten auch einfach mal laufen ließen. (dpa)

www.schloss-schwetzingen.de

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Hypochlorite desinfizieren gut, sind aber auch giftig und ätzend. In diesem Therapieversuch war die Chemikalie wirksam gegen eine Infektion der Haut mit Polyoma-Viren.

© Malivi / stock.adobe.com

Kasuistik

Trichodysplasia spinulosa: Die Säure hat geholfen

Herzinfarkt: Mehr als die Hälfte der Herzinfarkte ging in einer Studie bei Frauen unter 65 Jahren auf andere Ursachen als eine Atherosklerose der Herzkranzgefäße zurück. (Symbolbild mit Fotomodell)

© My Ocean studio / stock.adobe.com

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose