Fall Timoschenko: Vorwürfe gegen Ärzte der Charité

Die ukrainische Führung schießt sich immer stärker auf die inhaftierte Ex-Regierungschefin Timoschenko ein. Helfer von Präsident Janukowitsch werfen der kranken Oppositionsführerin vor, sie simuliere. Ins Visier geraten auch die deutschen Ärzte.

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KIEW (dpa). Was für den deutschen Arzt Lutz Harms als Routinereise begann, endete am Flughafen von Charkow als Spießrutenlauf. "Je länger behandelt Dr. Harms - desto reicher wird er", hielt ihm eine Gruppe junger Männer auf Plakaten in schiefem Deutsch entgegen. Der Vorwurf: Harms, der in der ostukrainischen Stadt die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko betreut, lasse sich von der kranken Oppositionsführerin für passende Diagnosen bezahlen. Die Klinik weist die Vorwürfe zurück.

Die Kiewer Führung betont zwar stets, das Charité-Gutachten umzusetzen. Dennoch ist offensichtlich, dass die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch seit dem Ende der Fußball-Europameisterschaft deutlich schärfer gegen ihre Erzfeindin Timoschenko vorgeht.

Die Politikerin wird offen beschuldigt, sie simuliere nur. Im Zuge der Kampagne geraten auch die Mediziner aus Deutschland ins Visier. Das hat einen üblen Beigeschmack - denn die Spezialisten sind auf Vermittlung der Bundesregierung im Einsatz.

Patienten, die Simulanten sind?

"Ist Doktor Harms bereit, seine Reputation für die Bestätigung der simulierten Krankheit Timoschenkos zu opfern?", schrieb der regierungsnahe Publizist Wjatscheslaw Pichowschek.

Und Jelena Bondarenko, stellvertretende Vorsitzende des Medienausschusses im Parlament, legte nach: "Wozu braucht die Charité Patienten, die Simulanten sind?"

Ukrainische Ärzte schickten einen offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die neutrale WHO solle doch bitte die Behandlungsmethoden der deutschen Mediziner bewerten. Die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform verbreitete, dass in Timoschenkos Dusche weggeworfene Medikamente gefunden wurden.

Will die ukrainische Führung Ärzte zum Rückzug drängen?

Harms schüttelte die Proteste zwar als "bedeutungslos" ab. Aber auch er sprach von einer "politischen Aussage". Charité-Chef Karl Max Einhäupl sieht auch angesichts der Proteste keine Heilungschancen für die prominenteste Gefangene der Ex-Sowjetrepublik.

Timoschenkos Anwalt Sergej Wlassenko glaubt, die Führung wolle die Ärzte zum Rückzug drängen. Dann gäbe es keine objektiven Beobachter mehr.

Derzeit läuft nicht nur der Berufungsprozess wegen der Verurteilung Timoschenkos zu sieben Jahren Straflager im Oktober 2011.

Auch ein neues Verfahren ist bereits im Gange - hier drohen ihr wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung in Millionenhöhe zwölf weitere Jahre Haft. Die Vorwürfe sind nach Ansicht des Westens konstruiert.

Wegen Timoschenkos Gesundheitszustand wurden die Prozesse bereits zweimal verschoben. Die Schuld daran gibt die Führung dem gegnerischen Lager. "Jemand wünscht sich sehr, dass Timoschenko krank ist und der Gerichtsprozess niemals beginnt", deutete Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka nebulös an.

Details aus Timoschenkos Privatleben werden lanciert

Die Häufung der Vorfälle hat nach Ansicht westlicher Diplomaten Methode. Für die Regierung ist eine neue Bestrafung Timoschenkos besonders wichtig, um den internationalen Beobachtern ein Urteil ohne offenkundigen politischen Hintergrund zu bieten.

Um Timoschenko, die noch immer eine der beliebtesten Politikerinnen im Land ist, zu diskreditieren, sickern auch Details aus dem glamourösen Leben der "Gasprinzessin" an die Öffentlichkeit.

So werden in der Presse genüsslich Timoschenkos Einkaufstouren nach Moskau Mitte der 1990er Jahre ausgebreitet. Die damalige Chefin eines Gasunternehmens sei für mehrere Tausend Dollar pro Nacht in Luxushotels abgestiegen und habe sich mit teuren Pelzen aus Nerz und Blaufuchs eingedeckt.

Angesichts der ukrainischen Durchschnittslöhne von etwa 300 Euro pro Monat ist das ein idealer Nährboden für Neid.

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