Syrien

Geheime Kliniken für die Opfer

Medizin ist in Syrien zur Waffe geworden. In Kliniken drohen verletzten Regimegegnern Festnahme und Folter. Sie sind auf mutige Ärzte angewiesen, die im Geheimen helfen - und damit ihr eigenes Leben riskieren.

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ARSAL (dpa). Im Schutze der Dunkelheit überqueren sie die Grenze vom Libanon nach Syrien. Meist sind sie zu Fuß unterwegs, manchmal haben sie auch einen Lastesel dabei.

"Bis zum nächsten sicheren Haus auf der syrischen Seite ist es etwa eine Stunde", erzählt Sakr. Der Inhalt der Kisten, die er und die anderen Männer ins Land schmuggeln, kann sie das Leben kosten.

Dabei haben sie keine Gewehre oder Granaten im Gepäck - es sind Medikamente, Blutkonserven oder Narkosemittel, für die geheimen Kliniken in den von der Opposition kontrollierten Gebieten.

Sakr, der aus Homs stammt und seinen richtigen Namen aus Angst vor Verfolgung nicht nennen möchte, ist auch kein Schmuggler. Er ist Arzt. "Wenn uns syrische Soldaten ertappen, könnten sie uns festnehmen oder auf uns schießen", sagt der 30-Jährige.

"Für die sind wir genauso schlimm wie Waffenschmuggler." Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) kennt ähnliche Berichte.

"Mit einem Patienten überrascht zu werden ist schlimmer, als mit einem Gewehr erwischt zu werden", erzählen Mediziner in Idlib. Viele weigern sich deshalb, Oppositionelle zu behandeln.

Nur noch das IKRK ist im Einsatz

Um die steigende Zahl der Verletzten in Syrien zu versorgen, bleibe nur der Schmuggel, erzählt Sakr. "Das Material wird dringend in den Gegenden in Rebellenhand wie Homs oder nun Aleppo benötigt."

Gestellt würden die Arzneimittel unter anderem von Exil-Syrern und ausländischen Organisationen - welche das sind, verrät er nicht. Das Regime in Damaskus hat sämtliche internationalen Hilfsorganisationen aus dem Land verbannt.

Ausgenommen ist nur das Internationale Rote Kreuz, das aber große Schwierigkeiten hat, die Menschen zu versorgen.

Verletzte Aktivisten, die in Krankenhäusern unter Kontrolle des Regimes Hilfe gesucht haben, berichten von Festnahmen und Misshandlungen. Auch Ärzte, die es wagen, sie zu behandeln, sind in Gefahr.

Medizin werde als Waffe eingesetzt, heißt es bei Ärzte ohne Grenzen. So sind die Oppositionellen auf improvisierte Kliniken an geheimem Ort in den Rebellengebieten angewiesen. Notdürftig versorgt werden sie dank Ärzten wie Sakr.

Hilfe aus dem Libanon und der Türkei

Unterstützung bekommen die Helfer von Schmugglern im Libanon und der Türkei, auch von Aktivisten und Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA). "Ich tue das, weil ich weiß, dass damit in Syrien Leben gerettet werden können", sagt Burkan, ein Schmuggler aus dem Libanon.

"Natürlich werde ich dafür bezahlt, aber ich verlange nur die Hälfte von dem, was ich für Waffen nehmen würde." In Syrien werden die Arzneimittel dann mit Lastwagen über geheime Routen in den Protesthochburgen verteilt.

Wegen der Kämpfe kann es aber bis zu zehn Tage dauern, bis das Material ankommt, weiß Sakr.

Besonders schwierig ist es für die Opposition, an Blutkonserven zu kommen: Die zentrale Blutbank wird vom Verteidigungsministerium kontrolliert, das auch für die Versorgung im ganzen Land zuständig ist.

Fehlt aber das Blut für Transfusionen, müssen lebenswichtige Operationen aufgeschoben werden. "In solchen Fällen müssen wir unser Leben riskieren, um das von anderen zu retten", erzählt Sakr.

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