Ludwigshafen

"Street Docs" im Einsatz für Obdachlose

14 Ärzte und 20 Helferinnen haben sich in Ludwigshafen spontan gemeldet, um in ihrer Freizeit obdachlose Menschen kostenlos allgemeinärztlich zu versorgen. Das Projekt heißt "Street Doc". Bei den Patienten kommt es gut an.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Behandelt Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen: Internist Dr. Peter Uebel.

Behandelt Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen: Internist Dr. Peter Uebel.

© Privat

LUDWIGSHAFEN. Die Hemmschwelle, eine normale Praxis zu betreten, ist für obdachlose Menschen riesig. Die meisten sind nicht krankenversichert, ihre Umgangsformen wenig verbindlich. Sie wissen: Der Geruch von der Straße ist nicht fein und bei anderen Patienten wenig erwünscht.

Bei den "Street Docs" von Ludwigshafen spielt das nicht so eine große Rolle. Drei kleine Praxen wurden mit Hilfe von Spenden speziell für Obdachlose, Aussteiger und Asylbewerber eingerichtet. "Medizinische Hilfe für alle - spontan, unbürokratisch, kostenfrei", versprechen große Plakate am Eingang.

14 Medizinerinnen und Mediziner sowie 20 Medizinische Fachangestellte haben sich freiwillig gemeldet, um hier mitzuarbeiten - kostenlos, versteht sich. "Rund die Hälfte unserer Patienten ist nicht krankenversichert", berichtet Internist Dr. Peter Uebel.

Seine beiden letzten Fälle: Einem jungen Wohnsitzlosen machen die Spätfolgen eines Jochbeinbruchs nach einer Schlägerei seit Jahren zu schaffen; bei einem Anderen, der auch auf der Straße lebt, besteht der Verdacht auf Angina Pectoris. Die vermutete Diagnose muss dringend weiter abgeklärt werden.

6000 Euro Spendengelder

Vor einem Jahr starteten Gastroenterologe Uebel, seine ärztlichen Kollegen und Sozialpädagogen der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen (ÖFG) sowie vom Haus St. Martin (Caritas) mit ihren Planungen zu "Street Doc".

Vorerfahrungen aus anderen Städten wie Worms, Mainz, Darmstadt, Frankfurt waren dabei hilfreich. 6000 Euro Spendengelder trommelten die Initiatoren bislang zusammen. Die Hälfte des Geldes fließt in Medikamente und Verbandmaterial.

"In meinen ersten hausärztlichen Sprechstunden habe ich kleine Wunden versorgt, akute Infekte verarztet und rheumatische Beschwerden und ihre Schmerzsymptomatik behandelt", berichtet der Internist. Braucht ein Patient eine Weiterbehandlung durch einen Facharzt, so ist hierfür ebenfalls gesorgt. "Wir haben ein Netzwerk von Fachärzten, die kostenlos eine Weiterbehandlung der Patienten übernehmen", so Uebel.

Die Wohnungen für die neuen Praxen werden von der Stadt Ludwigshafen mietfrei zur Verfügung gestellt. Eine Sprechstunde kommt besonders gut an. Sie liegt in direkter Nachbarschaft zu einer Suppenküche. Der Behandlungsraum ist schlicht ausgestattet.

Ein einfacher Schreibtisch, drei Stühle, eine Untersuchungsliege, zwei Regale und ein Schrank mit Medikamenten und Verbandsmitteln genügen. Ganz in der Nähe gibt es Gemeinschaftsduschen.

"Wenn ein stark verschmutzter und riechender Patient da ist, muss man das auch ansprechen und versuchen, ihn zu einer Dusche zu bewegen", erzählt Uebel. Grundsätzlich seien er und seine Kollegen aber eher hart gesotten.

Weitere Ärzte gefragt

Die Initiatoren des Projektes waren schockiert, als sie bei der Vorbereitung von den Lebensumständen vieler armen Menschen ihrer Stadt erfuhren. "Im Durchschnitt sterben die Wohnungslosen an den Brennpunkten in Ludwigshafen mit 41,5 Jahren", sagt Johannes Hucke von der Ökumenischen Fördergemeinschaft. Aber auch Menschen mit einer Wohnung lebten oft unter ärmsten Verhältnissen.

300 niedergelassene Ärzte und vier Kliniken versorgen die Ludwigshafener Bevölkerung. "Und dennoch gibt es viele Menschen, die diese Angebote aus Scham oder Angst nicht annehmen", sagt Uebel.

Die Sozialarbeiter von der ÖFG seien bei den Sprechstunden von "Street Doc" stets dabei, so Walter Münzenberger, ÖFG-Geschäftsführer. Sie seien bereit, bei "existenziellen Umfeldproblemen" weitere Hilfe zu leisten.

Basierend auf den Erfahrungen anderer Städte rechnet man in Ludwigshafen mit vielen hundert Patienten. "Mein Wunsch wäre es, dass noch einige Ärzte mitmachen würden", wünscht sich Internist Uebel. Auch Arzthelferinnen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, sucht er noch.

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