Unterfranken

Karottenbrot für besseres Trinkwasser

Bäcker und Wasserversorger haben sich in Unterfranken zusammengetan und wollen mit einem deutschlandweit einzigartigen Brot ihr Trinkwasser verbessern.

Von Christiane Gläser Veröffentlicht:
Bäckermeister Matthias Engel legt in seiner Bäckerei mehrere Grundwasserschutzbrote in ein Regal.

Bäckermeister Matthias Engel legt in seiner Bäckerei mehrere Grundwasserschutzbrote in ein Regal.

© Nicolas Armer / dpa

RETZSTADT. Wenn Matthias Engel in seiner Backstube den Teig für sein Walnuss-Karotten-Brot mischt, tut er etwas Gutes für das Grundwasser der Region. Denn der 30-Jährige nimmt dafür ausschließlich Getreide, das weniger gedüngt wurde als haushaltsüblicher Weizen.

"Die Verarbeitung in der Backstube ist schon eine Herausforderung", gibt der Bäckermeister zu. Denn das Mehl hat einen geringeren Proteingehalt und der hat Auswirkungen auf die Stabilität des Teigs.

"Man muss diesen Teig länger ruhen lassen, langsamer kneten und mit Vorteigen arbeiten. Man braucht dafür mehr Zeit", zählt Engel auf.

Zahl der Teilnehmer steigt

Er war einer der ersten Bäcker, der 2014 bei dem deutschlandweit bislang einzigartigen Projekt mitgemacht hat. Mittlerweile beteiligen sich mehr als ein Dutzend Unternehmen der Branche sowie drei Landwirte und drei Wasserversorger aus der Region. Ins Leben gerufen hat das Projekt die Regierung von Unterfranken.

"Unterfranken hat die nitratreichsten Böden, obwohl hier im bundeslandweiten Vergleich am wenigsten mit Gülle gedüngt wird", sagt Regierungsdirektor Christian Guschker.

Er leitet das Grundwasserschutzprojekt. Die Gründe für diese schlechten Werte sind der vergleichsweise geringe Niederschlag in Unterfranken sowie durchlässige und flache Böden.

"Deshalb geht der Dünger schnell, unverdünnt und ungefiltert in das Grundwasser." Die Regierung habe deshalb das Ziel, schon an der Quelle etwas zu tun: bei den düngenden Landwirten. Drei Landwirte der Region düngen ihren Weizen mittlerweile nur noch zwei- statt dreimal.

Das hat Auswirkungen auf den Eiweißgehalt des Getreides: Er ist niedriger. Deshalb erhalten sie von den Wasserwerken Ausgleichszahlungen für den Verlust, den sie bei den Mühlen machen. Denn für Weizen mit geringem Proteingehalt gibt es weniger Geld vom Müller.

Die Wasserversorger der Region nehmen bislang mehrere Hunderttausend Euro jährlich für Ausgleichszahlungen an die Grundwasserschutzbrot- und andere Landwirte in die Hand. 150 Euro gibt es pro grundwasserschonend bewirtschaftetem Hektar.

Die Auswirkungen seien bereits spürbar: "Das Wasserschutzgebiet Sulzfeld Marktstedt war in den 90er-Jahren ein Problemgebiet. Nun haben wir über 15 Jahre hinweg den Nitratanteil unter 40 Milligramm pro Liter senken können", sagt Werkleiter Hermann Löhner von der Fernwasserversorgung Franken.

Ausweitung erforderlich

"Das ist ein Ansatz, der in die richtige Richtung geht, dennoch ist ein Bio-Brot, für das überhaupt kein Mineraldünger eingesetzt wird, schon besser", sagt Agrarreferentin Marion Ruppaner vom Landesverband Bayern des Bundes Naturschutz Deutschland.

Das Projekt konzentriere sich zudem vor allem auf Trinkwasserschutzgebiete. "Wichtig wäre jedoch, den Grundwasserschutz auf allen landwirtschaftlichen Flächen voranzubringen."

Für die Gesundheit bringt das Brot mit leicht geringerem Eiweißgehalt dagegen wenig. "Das dürfte keinen großen Unterschied machen", sagt Ernährungsmediziner Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. "Ungesund ist es aber sicherlich auch nicht, denn wir essen eher zu viel Eiweiß in unserer Kultur", so der Experte.

Wissenschaftlich betreut wird das Projekt vom bundesweit aktiven Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl). Das hat auch Backtests mit dem vermeintlich "schlechteren" Getreide gemacht.

Das Fazit: "Die Backtests haben ergeben, dass der Weizen mit verringertem Eiweißgehalt mehr als ausreichend für ein gutes Backergebnis ist", sagt Fibl-Vermarktungsexpertin Nicole Nefzger. "Bislang stehen die Landwirte unter Zugzwang, entsprechend hochgezüchteten Weizen zu generieren."

Bei der Bäckerei Engel im unterfränkischen Retzstadt ist das frisch geknetete Grundwasserschutz-Brot nach 35 Minuten im 235 Grad Celsius heißen Ofen knusprig gebacken.

"Das Brot ist nach fast zwei Jahren mittlerweile fest im Sortiment etabliert", sagt Bäckermeister Engel. 2016 will er auch andere Produkte mit dem besonderen Mehl backen. (dpa)

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