CARE

Mehr als nur ein Paket

Seit 1946 bringt die Organisation CARE Hilfe in der Not. Längst ist aus dem berühmten Lebensmittelpaket der Nachkriegsjahre ein globales Instrumentarium der Katastrophen- und Entwicklungshilfe geworden. Der Bedarf ist größer denn je.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Was ist im CARE-Paket? Die Neugierde war groß, als die Organisation ihre Päckchen im Zweiten Weltkrieg verschickte. Heute ist sie weltweit tätig.

Was ist im CARE-Paket? Die Neugierde war groß, als die Organisation ihre Päckchen im Zweiten Weltkrieg verschickte. Heute ist sie weltweit tätig.

© 1956 CARE

MÜNCHEN. Manchmal passt viel Hoffnung in ein kleines Paket. Besonders, wenn es Lebensmittel enthält und ein Land erreicht, das von Krieg verwüstet ist. So wie die ersten CARE-Pakete im Mai 1946 im französischen Le Havre.

Es waren umgewidmete Rationen für US-Soldaten. Dosenfleisch, Milchpulver und Trockennahrung landeten nun bei hungernden Zivilisten statt an der einstigen Front. Ihnen folgten bald neue Päckchen, die verschiedene Lebensmittel, zudem teilweise Medikamente, Kleidung, Näh- und Werkzeug oder Bücher enthielten.

Entstehung im zweiten Weltkrieg – Spender oft einfache Leute

Die im November zuvor gegründete Organisation aus 22 US-Wohlfahrtsverbänden half nicht nur Verbündeten, sondern allen. Das sagt schon der Name, "Cooperative for American Remittances to Europe" – CARE. Im Juli 1946 erreichte die erste Schiffslieferung Bremerhaven.

Die Paket-Idee stammte von Arthur C. Ringland, Leiter der US-Aufsichtsbehörde für Kriegshilfe, und Dr. Lincoln Clark, einem UN-Kollegen. US-Präsident Harry Truman verschickte 100 Päckchen, viele folgten dem Beispiel. Wie im Bericht zum 70-jährigen Jubiläum dokumentiert, waren das meist gerade die einfachen Leute.

Mehrere extreme Winter verschärften in den ersten Nachkriegsjahren den Hilfsbedarf. Insgesamt trafen in Europa 100 Millionen Pakete ein, jedes zehnte in Deutschland. Noch heute erinnern sich viele der Älteren daran, schwärmen von Maisbrot, Erdnussbutter oder Schokolade.

Das Kürzel bleibt, der Name ändert sich

Damit hätte die Geschichte zu Ende sein können. Angesichts der Lage in der Welt wurden die Mittel statt dessen umgeleitet, schon ab 1949 nach Asien, etwa Japan, Korea und Vietnam, Lateinamerika folgte, ab 1960 Afrika.

1980 gründete der einstige, größte Hilfsempfänger mit CARE Deutschland-Luxemburg e.V. die dritte CARE-Organisation nach den USA und Kanada.

Seit dem Zusammenschluss der drei im Jahr 1982 steht das Kürzel für "Cooperative for Assistance and Relief to Everywhere". Heute umfasst CARE International 14 Länderorganisationen, bald dürften weitere dazukommen.

Die zentrale Koordination erfolgt im Generalsekretariat in Genf, nahe dem Sitz der Vereinten Nationen. Dort hat CARE Beraterstatus, das einige Jahre jüngere UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ist ein enger Partner.

Heute zählt CARE zu den ältesten und größten, nicht-staatlichen Organisationen der humanitären Hilfe, mit 10.000 Mitarbeitern in 95 Ländern von Chile bis Vanuatu. Sie stammen fast alle aus den Zielregionen, genau wie die Hilfsmittel.

Bedarf für 140 Millionen Menschen

Seit letztem Jahr ist der Bedarf so groß wie seit 1945 nicht mehr. Kriege in Syrien, dem Jemen und dem Südsudan treiben die Menschen in die Flucht. Anderswo sind es Ausgrenzung, Verfolgung, Armut und Aussichtslosigkeit.

Laut UNHCR benötigten 2015 weltweit 140 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, davon 65 Millionen Flüchtlinge. Allein elf Millionen Syrer sind auf der Flucht, viele davon in den armen Nachbarländern wie Jordanien. Die dortigen Behörden gehen von 1,3 Millionen Flüchtlingen aus, die Hälfte ist nicht registriert.

Das berichtet Salam Kanaan im September in Wien. Sie ist Jordanierin, studierte in Beirut Public Health, Erziehungswissenschaften und Psychologie. Als sie CARE entdeckte, identifizierte sie sich sofort mit dem Einsatz für Menschenrechte, gerade für Mädchen, und gegen soziale Ungerechtigkeit.

Seit 2004 arbeitet sie für die Organisation, seit 2013 als Länderdirektorin für Jordanien. "Inzwischen ist jeder Vierte im Land ein syrischer Flüchtling, davon leben vier von fünf unterhalb der Armutsgrenze." Für sie gehe es zuallererst um ein Dach über dem Kopf.

Nicht nur Zelte, Planen und Decken seien Teil der Hilfe. Damit diejenigen außerhalb der Flüchtlingslager in Mietunterkünften bleiben können, bekämen sie bei Bedarf Notgeld.

Ausbildungsprogramm gestartet

Seit das Welternährungsprogramm 2015 wegen Unterfinanzierung die Rationen kürzte, habe sich zudem das Lebensmittelproblem verschärft. Frauen drohe oft die Gefahr gewaltsamer Übergriffe, Kindern das Ende der Schulzeit, um zu arbeiten oder "wegverheiratet" zu werden.

Die Helfer etablieren Beratungs- und psychosoziale Unterstützungsangebote. Zehn Monate Anschubfinanzierung für Familien soll Kindern den Schulbesuch ermöglichen. "Wir konnten mit diesem Programm bisher 1000 Kinder wieder in die Schule bringen", so Kanaan.

Für junge Erwachsene läuft ein Ausbildungsprogramm. Die Lage wird dadurch erschwert, dass es vielen Einheimischen selbst am Nötigsten fehlt – so wie in fast allen Aufnahmeländern. CARE versucht, auch ihnen zu helfen.

Syrer innerhalb ihres Landes werden von Jordanien und der Türkei aus unterstützt, über syrische Organisationen. So gelangen zumindest einige Hilfen an die Bevölkerung.

Etwa ins belagerte Aleppo, zu einer Suppenküche mit ständig wechselndem Standort, damit 1600 Familien eine warme Mahlzeit am Tag bekommen. "Das ist aber natürlich weit entfernt vom Bedarf in der derzeitigen Belagerungssituation", konstatiert Karl-Otto Zentel. Seit drei Jahrzehnten ist er in der humanitären Hilfe tätig.

Bevor er 2012 Generalsekretär von CARE Deutschland-Luxemburg e.V. wurde, war er für das DRK in der Osttürkei und im Irak, etablierte für die Welthungerhilfe Programme in Afghanistan und Zentralasien, und war Vorsitzender des Deutschen Komitees Katastrophenvorsorge (DKKV).

Viele andere Orte wie Aleppo

Dass Aleppo in der Öffentlichkeit so große Aufmerksamkeit bekommt, hält er für richtig. Aber: viele andere syrische Orte seien in derselben Lage.

Die verfahrene Situation zwischen Regierungs- und verschiedenen Rebellengruppen kommentiert er nüchtern. "Da gibt es nach fünfeinhalb Jahren Bürgerkrieg keinen ,Guten‘ und keinen ,Schlechten‘ mehr." Die von allen begangenen, massiven Menschenrechtsverstöße wären längst ein Fall für den Internationalen Gerichtshof.

Die Menschen, die davor fliehen, unterstützt CARE, wie einige andere Hilfsorganisationen, noch in weiteren Ländern. Dazu zählen der Libanon, wo Zentel zufolge inzwischen etwa 40 Prozent der Menschen Syrer sind, Ägypten, die Türkei und die Länder entlang der Balkanroute.

CARE-Generalsekretär: Fragwürdiger Flüchtlingsaustausch

Im August war der Generalsekretär in Griechenland. Den vereinbarten Austausch von Flüchtlingen mit der Türkei, nicht registrierte gegen registrierte, hält er für fragwürdig.

Oft hätten sich Männer nach Mittel- oder Nordeuropa durchgeschlagen, um dann Frauen und Kinder nachzuholen. Ihnen drohe nun statt dessen oft die Rückführung in die Türkei. "Das mag ein Verwaltungsvorgang sein", so Zentel. "Aber ich muss sagen, es hat wenig mit Menschlichkeit zu tun."

In anderen Einsatzländern geht es mehr um langfristige Entwicklung, enge Kooperation mit der Bevölkerung und Hilfe zur Selbsthilfe sind Grundsätze. Deswegen entschied sich Johanna Mitscherlich, 31, vor sechs Jahren für die Mitarbeit.

Als Studentin von Internationalem Recht und Journalismus half sie in lokalen Initiativen, als stellvertretende Pressesprecherin von CARE Deutschland-Luxemburg e. V. ist sie nun regelmäßig im Ausland. Gerade ist sie nach zehn Wochen aus dem Süden Afrikas zurück.

Den Dörfern Simbabwes, Malawis, Mosambiks und Madagaskars setzt derzeit eine extreme Dürre zu. So etwas würde manchmal übersehen. "Ein Wetterphänomen wie El Niño ist abstrakt. Aber wenn man die Folgen vor Ort sieht, ist es sehr konkret."

Akut- und Strukturhilfe im Blick

Wie fast immer geht es um mehr als eine Folge. "Es gibt seit zwei Jahren keinen Regen, keine Ernten. Das zieht eine Kette von Problemen nach sich." Die fortgeschrittene Entwicklungsarbeit der Vorjahre müsse nun oft um Nothilfe ergänzt werden. Lebensmittel seien etwa in Mosambik für viele unbezahlbar, bei hohen Preisen und Einkommen von oft weniger als einem Dollar am Tag.

Zwischen 20 und 40 Prozent der Kinder sind mangel- oder unterernährt. Mit Gutscheinen könnten Familien sich auf den Märkten Grundnahrungsmittel wie Mais, Reis, Öl und Bohnen kaufen.

Langfristige Verbesserungen werden angestrebt durch Brunnenbau, Trinkwasseraufbereitung, effiziente Regenwassernutzung, robustes Saatgut und Feldfrüchte, etwa Yamknollen statt Reis. Dadurch sind viele Gemeinden jetzt resistenter geworden.

Allein 2015 erreichten nach eigenen Angaben 890 Projekte 65 Millionen Menschen. Die Vision "CARE 2020": 150 Millionen Menschen Hilfe zu bringen. Das Budget, zuletzt 630 Millionen US-Dollar, stammt zu zwei Dritteln von staatlichen und ähnlichen Stellen, zu einem Drittel von Spendern. Für alle reicht das längst nicht.

Was da ist, wird oft schnell benötigt. Nach dem schweren Hurricane, der am 4. Oktober über der Karibik wütete und von dem allein auf Haiti 1,5 Millionen Menschen betroffen waren, hilft CARE als eine der ersten. Oberstes Ziel ist die Versorgung mit sauberem Wasser, um einer Cholera-Epidemie vorzubeugen.

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