Nobelpreis-Prävention

Das schützt zuverlässig vor der Nominierung

Düsseldorfer Medizinhistoriker haben sich den Medizinnobelpreis zur Brust genommen. Ihr Fazit: Die Jury wertet nicht nur fachliche Kompetenz; es gibt ganz pragmatische Erfolgsfaktoren - und absolute K.o.-Kriterien.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Wenn sie schweißgebadet aufwachen, weil sie geträumt haben, den Nobelpreis zu gewinnen wie hier Harald zur Hausen: Wir geben Tipps vor diesem Alptraum.

Wenn sie schweißgebadet aufwachen, weil sie geträumt haben, den Nobelpreis zu gewinnen wie hier Harald zur Hausen: Wir geben Tipps vor diesem Alptraum.

© Kay Nietfeld / dpa

STOCKHOLM/DÜSSELDORF. Die falsche Sprache der Publikation, das falsche Geschlecht des Verfassers, zu komplexe, zu visionäre oder zu wenig visionäre Forschungsgebiete oder ein zu früher Tod – all das und viel mehr kann qualifizierten Wissenschaftlern den Weg zum Nobelpreis verwehren.

Davon sind zumindest die Medizinhistoriker Dr. Nils Hansson, Thorsten Halling und Professor Heiner Fangerau von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf überzeugt.

Seit mehr als 100 Jahren ist der Nobelpreis die Krönung einer wissenschaftlichen Laufbahn. Der Preis sollte, so sein Stifter Alfred Nobel, denen zuteil werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben.

Nicht nur "bahnbrechende Erkenntnisse" wichtig

Die Forscher haben laut Uni im Vorfeld der dieses Jahr am 10. Dezember in Stockholm anstehenden Verleihung der Nobelpreise erforscht, wie man den Nobelpreis nicht bekommt, auch wenn die Voraussetzungen "bahnbrechender Erkenntnisse zum Wohle der Menschheit" erfüllt waren.

Zu ihrem Thema halten sie vom 16. bis 18. November eine etwas andere Nobelpreistagung ab mit dem Titel "Noble Forschung und der Nobelpreis: Konstruktion und Kommunikation wissenschaftlicher Exzellenz im 20. Jahrhundert", veranstaltet vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität.

Experten aus Deutschland, Schweden, Italien, Kanada und den USA betrachten dabei die Geschichte der Nobelpreisvergaben.

Keine posthume Verleihung möglich

Nicht ganz ohne Augenzwinkern, so die Uni, haben Hansson, Halling und Fangerau empirisch wissenschaftlich aufgearbeitet, welche Kriterien sich negativ auf die Möglichkeiten auswirken, den Nobelpreis tatsächlich zu bekommen.

Zuerst seien die Statuten der Nobel-Stiftung zu erfüllen: Für den Nobelpreis muss man zuvor nominiert werden, wer eine Nominierung aussprechen darf, ist festgelegt. Den Preis können nur lebende Personen erhalten, eine posthume Verleihung ist nicht möglich.

Außerdem dürfen nicht mehr als drei Personen gleichzeitig für eine Leistung ausgezeichnet werden.

Wie eindeutig ist die Leistung einer Person?

Hier beginnen dann aus Sicht der Wissenschaftler die Schwierigkeiten: Kann eine Leistung höchstens drei Wissenschaftlern eindeutig zugeschrieben werden? Daran sei unter anderem ein Nobelpreis für die die moderne Chirurgie revolutionierende Entwicklung der Lokalanästhesie gescheitert.

Auch zu visionäre Leistungen seien von Nachteil. Bis die Anerkennung der Kollegen genug Nominierungen zur Folge habe, könnten Jahrzehnte vergehen und man sei einfach schon zu alt, im schlimmsten Fall tot.

Der Berliner Chirurg Themistocles Gluck (1853 – 1942) zum Beispiel sei mit seinem Konzept des künstlichen und einzementierten Gelenkersatzes auf so viel Ablehnung gestoßen, dass es ihn fast seine Karriere gekostet hätte.

Bloss nicht zu visionär denken!

Erst gut 50 Jahre nach seiner Pionierarbeit wurde die Idee wieder aufgegriffen und ist heute eine Erfolgsgeschichte. Da seien seine Publikationen für den Preis bereits zu alt gewesen, resümieren die Medizinhistoriker.

Auch die Provenienz eines potenziellen Laureaten könne eine Determinante im Selektionsprozess darstellen, sind sich die Forscher sicher. Es sei von Vorteil, in Europa oder Nord-Amerika geboren zu sein, was auf die Hälfte beziehungsweise ein Drittel der Preisträger zutreffe.

Damit verbunden sei die Sprache der Publikation: Alle Sprachen seien dabei schlechter als Englisch, ergänzen sie etwas polemisch.

Frauen seien "natürlich" auch unterrepräsentiert: Den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten bisher zwölf Frauen im Gegensatz zu 199 Männern. Gleichwohl gehöre Marie Curie, die Schöpferin des Wortes "radioaktiv", zu den vier Menschen, denen der Preis zweimal verliehen wurde – für Physik und für Chemie. Die anderen drei Doppelpreisträger seien Männer gewesen.

Medizinhistoriker fast ohne Chance

Die Autoren haben für junge Mediziner noch weiteren Rat, falls sie sich gerade keinen Anruf aus Stockholm wünschen: Es gelte, etwas Unvorstellbares zu denken oder dem wissenschaftlichen Mainstream zu folgen.

"Nicht zuletzt schützt vor dem Nobelpreis auch die Wahl des Fachgebiets, wie etwa die Orthopädie, die Anästhesie oder – für diejenigen, die ganz sicher leer ausgehen wollen – die Medizingeschichte", ergänzen die Medizinhistoriker.

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