Studie

Heiraten wird überschätzt

Die Hochzeit, der schönste Tag im Leben? Kann sein – mehr aber oft auch nicht: In einer Fünf-Jahres-Studie verschätzten sich die Teilnehmer stark, wie sehr Lebensereignisse ihre Lebenszufriedenheit beeinflussen.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht:
Menschen sind wohl schlecht darin, ihr Glück oder Unglück vorherzusagen: Es gibt bei den meisten keinen Langzeit-Glückseffekt dank Heirat, so eine Studie.

Menschen sind wohl schlecht darin, ihr Glück oder Unglück vorherzusagen: Es gibt bei den meisten keinen Langzeit-Glückseffekt dank Heirat, so eine Studie.

© riccardo bruni / stock.adobe.com

BASEL. Wie zufrieden werden Sie in fünf Jahren mit ihrem Leben sein? Jetzt stellen Sie sich vor, sie hätten gerade geheiratet, Kinder bekommen – oder wären arbeitslos geworden: Wie würden diese Ereignisse Ihre Antwort beeinflussen? Diese Fragen wurden Teilnehmern einer Studie gestellt. Ergebnis: Die Meisten billigen einschneidenden Lebensereignissen einen langfristigen Effekt auf ihre Gesamtzufriedenheit zu.

Doch diese Annahme ist falsch, so Ökonomen der Universität Basel (doi: 10.1093/jeea/jvy005). Sie haben etwa 30.000 Personen über mehrere Jahre in wiederholten Tests befragt. Die Forscher stellen fest, dass die Teilnehmer die langfristigen Auswirkungen positiver Lebensereignisse – wie Heirat oder der Geburt von Kindern – überschätzen.  Ebenso überschätzen Menschen die Auswirkungen negativer Geschehnisse. Fünf Jahre nach einem wichtigen Geschehen gleich welcher Art waren sie ähnlich zufrieden wie zuvor.

Unterscheiden mussten die Wissenschaftler dabei zwischen der langfristigen Zufriedenheit und dem kurzfristigen Wohlbefinden. Positive und negative Vorkommnisse tangieren die Betreffenden kurzfristig stark: Schöne Ereignisse führen erwartungsgemäß zu einem starken Anstieg, negative Events zu einer starken Verringerung der derzeitigen Lebenszufriedenheit. Diese Ausschläge pendeln sich allerdings auf lange Sicht offenbar aber wieder ganz oder zumindest teilweise auf das Niveau der Vorjahre ein, so die Schweizer Ökonomen.

„Unsere Resultate liegen quer zur grundlegenden Annahme der ökonomischen Theorie, dass Individuen in der Regel korrekt vorhersagen können, was ihnen wie viel Nutzen bringt“, resümieren die Forscher in einer zugehörigen Mitteilung.

Simple Erklärung

Als Grund für den Effekt vermuten die Studienautoren eine grundlegende menschliche Eigenschaft: Anpassungsfähigkeit. Durch natürliche Resilienz gewöhnten sich Menschen schlicht mit der Zeit an neue Lebensumstände. Dadurch komme es zu den langfristigen Fehleinschätzungen, da die Teilnehmer nur auf die kurzzeitige Stimmung schauten.

Als Ökonomen bringen die Schweizer noch die Entscheidungstheorie als Aspekt in ihre Conclusio: Menschen würden häufig zu Fehleinschätzungen neigen, da sie ihre eigene Anpassungsfähigkeit unterschätzten. Wären sie sich dessen bewusst, würden sie bessere Entscheidungen treffen.

Probleme der Studie

Einschränkend gibt es zu bedenken, dass Umfragen freilich nicht in den Kopf der Teilnehmer schauen können: Die Lebenszufriedenheit beziehungsweise das derzeitige Wohlbefinden könnte auch durch andere Ereignisse als die abgefragten beeinflusst worden sein.

Außerdem ist die allgemeine, persönliche Zufriedenheit natürlich eine höchst subjektive Wahrnehmung. So ist auch die Erklärung des Effekts durch die menschliche Anpassungsfähigkeit kaum validierbar.

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