Ärztetag: Trotz düsterer Prognosen bleibt die Freude

In der Patientenversorgung finden die weitaus meisten Ärzte ihre Erfüllung - aber die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind 1997 schlecht. Ein Stimmungsbild unter Ärztetags-Delegierten.

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Eisenach, im Mai 1997. Anlässlich des 100. Deutschen Ärztetages präsentiert die "Ärzte Zeitung" eine Umfrage zur berufspolitischen Lage unter Ärztetags-Delegierten. Die Stimmung ist zwiespältig.

Die gute Nachricht: Fast drei Viertel aller Befragten sagt auf die Frage "Wenn Sie heute auf der Basis Ihrer Erfahrungen Bilanz ziehen - würden Sie noch einmal den Arztberuf wählen?": Ja, in jedem Fall.

Diese Zufriedenheit mit dem Beruf resultiert in erster Linie aus der fairen Beurteilung der Ärzte durch ihre Patienten (92 Prozent).

Danach gefragt, was ihnen persönlich besondere Freude am Beruf macht, antworten die Delegierten unisono in ihren Statements: "Arbeit mit Patienten, die Gesundheit der Kinder erhalten und ihre Lebensqualität verbessern" oder "Für kranke Menschen arbeiten zu dürfen" oder "Die unmittelbare Hilfe für Menschen in Not oder Bedrängnis, das Zusammenspiel von Wissen und Können, Menschenliebe, Psychologie, Seelsorge und Arbeit".

Es ist der Kern der ärztlichen Arbeit, der Sinn stiftet und der bei den meisten Befragten dann doch die Frustration zu überwinden hilft.

Gängelung und Respektlosigkeit

Aber es gibt diese Kehrseite, und sie soll in den Folgejahren noch düsterer werden: Nahezu alle Ärztetagsdelegierten klagen über wuchernde Bürokratie, Gängelung durch die Krankenkassen, respektlose Kassenfunktionäre.

Rund die Hälfte der Befragten fühlt sich von der Politik und den Medien unfair beurteilt - ein scharfer Kontrast zum unmittelbaren Erleben im Patientenkontakt.

Und noch eins macht den Delegierten des Ärztetages zu jener Zeit Sorge: die steigende Zahl von Ärzten und damit wachsender Konkurrenzdruck. Drei Viertel befürchten negative Auswirkungen auf die Kollegialität untereinander.

Das ist bitter vor allem für die jüngeren Ärzte: Professor Horst Bourmer, der ehemalige Vorsitzende des Hartmannbundes, zieht eine Parallele zur Nachkriegszeit: Ausbeutung durch unbezahlte Arbeit, die erste Planstelle, dort mit 400 DM nach drei Jahren.

Das wiederholt sich in den 90er Jahren mit AiP und unbezahlten Gastärzten in der Weiterbildung.

Mit Folgen, die heute spürbar sind: Nur 29 Prozent der Delegierten unter 40 Jahren würden nochmals Arzt werden wollen. Insgesamt nur 43 Prozent aller Befragten wollen 1997 jungen Menschen ohne Bedenken zum Arztberuf raten. (HL)

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