Franziska Liebhardt

Die Siegerin mit der Kollagenose

Franziska Liebhardt gewinnt bei den Paralympics Gold im Kugelstoßen. Die Leichtathletin ist unheilbar krank.

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Gold-Gewinnerin mit besonderer Lebensgeschichte: Franziska Liebhardt.

Gold-Gewinnerin mit besonderer Lebensgeschichte: Franziska Liebhardt.

© Axel Kohring/ Beautiful Sports/dpa

RIO DE JANEIRO. Der erste Dank ging an ihre Trainerin Steffi Nerius. "Ich habe mich unter Steffi so super entwickelt, die Medaille geht auch zu einem großen Prozentsatz an sie", sagte Franziska Liebhardt.

Kurz vor dem Ende ihrer kurzen sportlichen Laufbahn hat die 34 Jahre alte Leichtathletin auch dank der ehemaligen Speerwurf-Weltmeisterin den Karriere-Höhepunkt erreicht: Paralympics-Siegerin im Kugelstoßen mit dem Weltrekord von 13,96 Metern. Wenig später holt sie dann auch noch Silber im Weitsprung.

Bis vor zehn Jahren verlief das Leben der Kinder-Physiotherapeutin Franziska Liebhardt völlig normal. Sport, Freunde, Reisen, Arbeit. Dann, aus dem Nichts, die erschütternde und alles verändernde Diagnose: Kollagenose, ihr Körper wandelt gesunde Zellen in nutzloses Bindegewebe um.

Die Ärzte gaben ihr noch zehn Jahre. Nach dem ersten Schock nimmt sie ihr Schicksal an, kämpft, will leben, ihre restliche Zeit so intensiv es nur geht nutzen. Ihre Familie unterstützt sie.

Halbseitenspastik infolge von Schlaganfall

2010 erleidet sie einen Schlaganfall, hat als Folge dessen eine Halbseitenspastik. Deshalb startet sie bei den Behindertensportlern.

2012 der nächste Schicksalsschlag. Jetzt versagen die Nieren. Eine Lebendspende ihres Vaters rettet sie. Erst will sie das "Geschenk" nicht annehmen, aber über die Transplantationsliste hätte es viel zu lange gedauert. Acht bis zehn Jahre Dialyse, das hätte ihre Lunge nicht mitgemacht. Sie sagt zu, alles geht gut.

So gut wie tot

"Ich war vor der Lungentransplantation so gut wie tot, es war wirklich in letzter Minute", sagt die Sportlerin. Der Eingriff gelingt, ihr Körper nimmt das Organ an. Ihr erster Gedanke: "Ich kann atmen, ich kann wieder Sport machen." Die Ärzte schauen sie ungläubig an: Sport? Ein bisschen vielleicht. Leistungssport? Auf keinen Fall.

Die frühere Volleyballerin kämpfte sich dank des Sports wieder ins Leben. Nach ersten Erfolgen bei der EM und der WM der Organtransplantierten wechselte sie 2014 nach Leverkusen. Seither ging es bergauf: EM-Titel, WM-Zweite, erster Weltrekord in der paralympischen Leichtathletik.

"Als ich vor zwei Jahren nach Leverkusen gezogen bin, gab es für mich nur volle Pulle. Ich habe mich entschlossen, alles zu investieren, aber dass das heute so belohnt wird, hätte ich nie gedacht", sagt die Goldmedaillengewinnerin. Nach Rio ist definitiv Schluss: Das weitere Leben will sie in ihrer Heimat Würzburg genießen.

"Ab Januar werde ich in mein altes Leben in Würzburg zurückkehren und mich um Freunde und Familie kümmern, die in den letzten zwei Jahren viel zurückstecken mussten", kündigt sie an.

42 Tabletten am Tag

Ihre Krankheit – dessen ist sie sich bewusst – ist unheilbar. Als Folge der Organspenden muss Liebhardt nun lebenslang Medikamente nehmen, damit der Körper die fremden Organe nicht abstößt. Sie schluckt 42 Tabletten, jeden Tag. Die führen zu gravierenden Nebenwirkungen und schwächen erheblich die Immunabwehr.

Zudem bleiben nach der Operation Teilfunktionsstörungen der Organe bestehen.

Liebhardt saugt das Leben trotzdem auf, sie will die begrenzte Zeit mit allem füllen, was möglich ist. Ein Thema liegt ihr besonders am Herzen: Organspende. Die Bühne Rio will sie nutzen, um darauf aufmerksam zu machen. "In Deutschland ist dieses Thema eher negativ behaftet. Das muss sich ändern." (dpa)

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