Lädiertes hinteres Kreuzband wird häufig übersehen
FRANKFURT AM MAIN (ner). Bei schweren Knieverletzungen ist das hintere Kreuzband wesentlich häufiger verletzt als bisher gedacht. Oft werde fälschlicherweise von einer Lockerung des vorderen Kreuzbandes ausgegangen, was zur falschen Behandlung führen könne, hieß es beim Arthroskopie-Kongreß in Frankfurt am Main.
Veröffentlicht:Bis vor kurzem ist angenommen worden, daß das hintere Kreuzband als zentraler Stabilisator des Kniegelenkes fast nie reißt oder nur selten verletzt ist. In Wirklichkeit sei jedoch bei fast 40 Prozent der Patienten mit schweren Knieverletzungen das hintere Kreuzband mitbetroffen, sagte Professor Michael Strobel aus Straubing beim Jahreskongreß der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft Arthroskopie mit Verweis auf Studien in den USA. Meist handelt es sich um Verletzte nach einem Verkehrs- oder einem Sportunfall.
Dem Operateur erscheine während der Arthroskopie das vordere Kreuzband als gelockert, weil der Unterschenkel bei verletztem hinteren Kreuzband und gebeugtem Knie "nach hinten fällt", so Strobel. Bei 15 Prozent dieser Patienten erfolgt dann die Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, wie seine Untersuchung bei 700 Patienten mit Verletzung des hinteren Kreuzbandes ergeben hat. Die Diagnose eines verletzten hinteren Kreuzbandes könne nur klinisch gestellt werden und bedarf nach Ansicht des Orthopäden einiger Erfahrung.
Die chirurgische Rekonstruktion des hinteren Kreuzbandes ist mit einem erhöhten Komplikationsrisiko behaftet, weil sich in diesem Bereich wichtige Nerven- und Gefäßbündel befinden. Die Rekonstruktionsergebnisse seien weit entfernt von den Erfolgen beim Ersetzen des vorderen Kreuzbandes, so Privatdozent Dr. Andreas Weiler von der Charité in Berlin. Meist lägen kombinierte Verletzungen vor.
Oft verschlechtert sich der Behandlungserfolg innerhalb eines Jahres nach Rekonstruktion, wie eine Studie bei 158 Patienten mit Verletzung des hinteren Kreuzbandes ergeben hat. So kommt es nach Weilers Angaben zwar nach der Operation zur deutlichen Reduktion der hinteren Schublade. Diese nehme allerdings mit der Zeit wieder zu. Offenbar komme es zu Umbauprozessen im rekonstruierten Kreuzband mit Dehnungseffekten. Subjektiv bemerkten die Patienten die erneute Destabilisierung meist nicht.