Keime vom Chef - auch in Kliniken stinkt der Fisch vom Kopf

BERLIN (HL). Die Vermeidung von Nosokomialinfektionen ist im wesentlichen ein Management- und Compliance-Problem. Vor allem ältere Klinikärzte müssen zur Disziplin gezwungen werden.

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Das ist das Fazit einer Berliner Diskussionsrunde der Aktion Meditech im Vorfeld des heute stattfindenden 1. Nationalen Aktionstages zur Händedesinfektion. Von den rund 500 000 Nosokomialinfektionen gelten nach Angaben von Professor Markus Dettenkofer (Uni Freiburg) etwa ein Drittel als vermeidbar.

Vorbeugend sollten Risikopatienten auf multiresistente Keime gescreent werden; der Krankenhausökonom Professor Wilfried von Eiff bewertet das als kosteneffektiv. Auf das Screening zu verzichten, entspreche nicht mehr dem Standard, so der Hygieniker Dettenkofer. Einigkeit bestand auch darin, dass eine rationale Antibiotika-Therapie ebenso wie eine gute Datenqualität das Risiko von Krankenhausinfektionen mindern kann und beispielsweise in den Niederlanden vorbildlich gelungen ist.

In der Praxis vieler deutscher Krankenhäuser werden Hygienestandards allerdings nachlässig umgesetzt, so Dr. Katharina Madlener vom Klinischen Labor der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. "Wenn die Ärzte von der Uni kommen, dann sind sie noch gut - werden sie aber Ober- und Chefärzte, dann ist es ganz schlimm. Wir haben ein großes Compliance-Problem", klagt sie.

Hier sieht der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Rudolf Kösters auch die Klinikträger in der Pflicht: "Ich erwarte als Ultima Ratio auch arbeitsrechtliche Konsequenzen", sagt der Klinik-Manager. Madlener pflichtet ihm bei. Mit Appellen oder Freiwilligkeit sei gegen die Nachlässigkeit im Klinikalltag nicht anzukommen. "Wir haben Zwangsfortbildungen gemacht. Aber das ist wie in der Schule mit dem Nachsitzen." Madlener befürchtet, dass ohne ein konsequentes Hygiene-Regime auch Aktionstage in ihrer Wirkung verpuffen und es in Wirklichkeit bei einer Show-Veranstaltung für die Presse bleibt.

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