Netzwerk für den professionellen Umgang mit Demenz

Heute ist Welt-Alzheimer-Tag. Wie funktioniert Versorgung in Deutschland? Das Bundesgesundheitsministerium hat das Förderprogramm "Leuchtturm Demenz" aufgelegt. Eines der 29 Projekte ist das DemenzNetz Aachen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Demenzpatienten benötigen eine professionelle Begleitung.

Demenzpatienten benötigen eine professionelle Begleitung.

© Foto: imago

AACHEN. Die Zusammenarbeit in einem sektorübergreifenden Netzwerk zum Krankheitsbild Demenz trägt nicht nur zur besseren Versorgung der Patienten und der Entlastung ihrer Angehörigen bei. Sie ermöglicht auch den beteiligten Hausärzten eine neue Qualität der Auseinandersetzung mit der Krankheit.

"Für mich als Hausarzt ist bei Erwachsenen Demenz eigentlich die schlimmste Diagnose, die ich heute übermitteln kann", sagt der Aachener Hausarzt Dr. Wilfried Duisberg. Bei allen anderen noch so schweren Diagnosen hätten Ärzte etwas in der Hand, das sie den Patienten anbieten können, und seien es die Möglichkeiten der Palliativmedizin. Anders sehe es bei der Demenz aus. Dort warte auf den Kranken ein langer Weg, der mit dem Zerfall der Persönlichkeit endet. "Da sind wir noch machtlos, und das wissen auch alle", sagt Duisberg, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Aachener Hausärzte (AGAH).

Dem Gefühl der Hilflosigkeit und des Scheiterns kann der Allgemeinmediziner etwas entgegensetzen, seit er sich im DemenzNetz Aachen engagiert. "Ich brauche ein Netzwerk, um die Betroffenen begleiten zu können. Den professionellen Umgang mit Demenz kann ich allein nicht schaffen", sagt er.

Das DemenzNetz Aachen ist auf Initiative der AGAH und des Gerontopsychiatrischen Zentrums (GPZ) am Alexianer-Krankenhauses in Aachen ins Leben gerufen worden. Das GPZ betreibt eine Beratungsstelle und eine Gedächtnisambulanz. Wesentliche Ziele der Zusammenarbeit sind die verbesserte Frühdiagnostik dementieller Erkrankungen und die möglichst gute und lange Betreuung der Patienten in der häuslichen Umgebung.

Kooperation mit der Stadt Aachen

Dazu wird den Kranken und ihren Angehörigen ein breite Palette medizinischer, pflegerischer und weiterer Hilfeleistungen angeboten. Das Netz kooperiert mit der "Leitstelle Älter werden" der Stadt Aachen und der Servicestelle Hospiz Aachen.

Durch den Austausch mit dem GPZ haben die Hausärzte direkten Zugriff auf den aktuellen Stand des Wissens in Diagnostik und Therapie, sagt Duisberg. Das Netz hat im Frühjahr die Arbeit aufgenommen. Zurzeit beteiligen sich 94 Hausärzte, 196 Patienten und ihre Familien sind eingeschrieben, berichtet Projektleiter Dr. Andreas Theilig, Chefarzt der Gerontopsychiatrie am Alexianer Krankenhaus. "Eigentlich wollten wir nur 150 Patienten aufnehmen, aber es gab so viel Nachfrage, dass wir das Projekt ausgeweitet haben."

Versorgung wird individuell analysiert

Drei Case Manager erstellen eine individuelle Versorgungsanalyse für die Patienten und koordinieren die Versorgung. "Durch die Case Manager haben die Familien einen festen Ansprechpartner", sagt Theilig. Die Beratungsstelle seiner Klinik bietet Schulungen für die teilnehmenden Hausärzte und ihre medizinischen Fachangestellten sowie Schulungsreihen für die versorgenden Angehörigen. Bei Patienten mit Verdacht auf eine dementielle Erkrankung führen die Hausärzte eine standardisierte demenzorientierte Eingangsuntersuchung durch und überweisen zur differenzierten Diagnostik dann weiter an das GPZ.

Nach drei Monaten erfolgt eine Verlaufskontrolle beim Hausarzt, in deren Zentrum ein Gespräch mit dem Patienten und den Angehörigen steht. Darüber schreibt der Hausarzt einen Bericht an das Zentrum. Das DemenzNetz Aachen ist eines der 29 Projekte im Förderprogramm "Leuchtturm Demenz" des Bundesgesundheitsministeriums.

Bei Demenz gerieten Betroffene oft in die Isolation und die Angehörigen an die Grenze der Belastung, betont Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. "Hier in Aachen wurde ein Angebot geschaffen, das versucht, den Interessen beider gerecht zu werden", lobt sie. Das Netzwerk trage dazu bei, Versorgungsdefizite zumindest ein Stück weit zu beheben.

AOK will auch andere Kassen ins Boot holen

Schmidt hofft, dass das Projekt auch nach Ende der Förderphase im Februar 2010 weiterläuft. Dabei sollten auch Pflegeeinrichtungen in das Konzept einbezogen werden. "Die medizinische Betreuung durch Haus- und Fachärzte in den stationären Einrichtungen muss verbessert werden."

Die AOK Rheinland/Hamburg habe ihr zugesagt, dass sie mit dem Netz Verträge schließen wolle, sagt Schmidt. Die AOK führt bereits Gespräche, um andere Kassen mit ins Boot zu holen.

"Es ist wichtig, dass die jetzt geschaffenen Strukturen langfristig in die Regelversorgung eingebunden werden", fordert Hausarzt Duisberg. "Es muss weitergehen, sowohl was die Ziele als auch was die Kooperationen angeht", betätigt Projektleiter Theilig.

Evaluation

Die Arbeit des DemenzNetzes Aachen wird durch die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen evaluiert. Basis ist die Befragung von Hausärzten, von Patienten und Angehörigen, die im Netz eingeschrieben sind und von Patienten/Angehörigen, bei denen das nicht der Fall ist. Die wissenschaftliche Begleitung läuft noch. Ein Problem ist der vergleichsweise geringe Rücklauf der Fragebögen. "Es ist ungemein schwierig, mit diesem Thema in die Öffentlichkeit zu gehen, und Informationen von Betroffenen zu erhalten", sagt Studienleiterin Professor Liane Schirra-Weirich. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sind die Patienten 68 bis 95 Jahre alt, 64,8 Prozent sind Frauen. 44,4 Prozent der Patienten werden durch den Partner versorgt.

Lesen Sie dazu auch: Bewegungsprogramm für Demenzpatienten und Angehörige

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Den Leuchtturm nicht ausknipsen!

Zum Welt-Alzheimer-Tag hat die Ärzte Zeitung ein Informationspaket zusammen gestellt Für Ärzte und Apotheker gibt es ein kostenloses Plakat zum Bestellen und Informationen für Angehörige und Interessierte. Diese können auch personalisiert werden, das heißt, mit Adresse und Öffnungszeiten der Praxis oder Apotheke versehen werden. Für Interessierte und Angehörige gibt es kostenlose Informationen zum Herunterladen und Ausdrucken. Hier geht es zum Informationspaket

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