"Dem neugierigen Blick Grenzen gesetzt"

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BERLIN (sun). Deutschlands Ärzte und Psychotherapeuten begrüßen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung. Das Urteil sei richtungweisend für das hohe Gut der Privatsphäre, sagte der Chef der Ärztevereinigung NAV-Virchow-Bund, Dr. Klaus Bittmann. "Die massenhafte Speicherung von Telefondaten von Ärzten und ihren Patienten verhindert keine Terrorakte, sie beschädigt aber das Vertrauen", so Bittmann. Zum besonderen Vertrauensschutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses gehöre nicht nur das persönliche Gespräch, sondern auch der Umstand, dass sich ein Patient zum Beispiel telefonisch an den Arzt wendet.

Bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes hagelte es Proteste von Ärzten und Psychotherapeuten. Es gab wenig Verständnis dafür, dass Ärzte und Psychotherapeuten weniger vor staatlichen Überwachungsmaßnahmen geschützt sein sollten als Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete. Damit habe der Gesetzgeber ein Zwei-Klassen-System bei Berufsgeheimnisträgern geschaffen, betonte Rudolf Henke, Chef der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund (MB).

Der Hartmannbund fordert den Gesetzgeber auf, die Sonderstellung von Ärzten als Berufsgeheimnisträger zu berücksichtigen. "Die Ärzteschaft hat jetzt eine zweite Chance, doch noch von der Vorratsspeicherung und Telefonüberwachung ausgenommen zu werden", so Hartmannbund-Chef Professor Kuno Winn.

Die Karlsruher Richter hätten mit ihrem Urteil unterstrichen, dass der Schutz der Privatsphäre nicht einfach der Terrorabwehr untergeordnet werden kann, äußerte sich Ulrich Oesingmann, Präsident des Bundesverbandes der freien Berufe. "Dieses Urteil setzt dem neugierigen Blick des Staates Grenzen."

MB-Chef Henke bezeichnete das Urteil als "großen Erfolg für Datensorgfalt". Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stärke die Grundrechte der Bürger und setze staatlichen Überwachungsmaßnahmen klare Grenzen. Das Urteil solle auch dazu anregen, Projekte wie den Elektronischen Entgeltausweis nun neu zu überdenken.

Auch Chef der Bundespsychotherapeutenkammer Professor Rainer Richter begrüßte den Richterspruch. "Psychische Erkrankungen sind in Deutschland immer noch mit einem Stigma behaftet", sagte Richter der "Ärzte Zeitung". Für viele psychisch kranke Menschen sei daher die telefonische Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung ein niedrigschwelliger, wichtiger Zugang zum Psychotherapeuten. "Aufgrund der Vorratsdatenspeicherung mussten die Patienten befürchten, dass ihre Verbindungsdaten zu einem späteren Zeitpunkt bekannt werden", so Richter.

Lesen Sie dazu auch: Richter bremsen Datenhunger des Staates Hoppe will absoluten Schutz

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