Schnelle Hilfe für psychisch kranke Schwangere

In Sachsen wollen Psychologen und Psychiater bei der Behandlung von psychisch belasteten Schwangeren besser zusammenarbeiten.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Psychische Belastungen können bei Schwangeren Frühgeburten auslösen oder dramatische Folgen für das Kind haben.

Psychische Belastungen können bei Schwangeren Frühgeburten auslösen oder dramatische Folgen für das Kind haben.

© Schubert / imago

DRESDEN. Für Frauen, die während oder nach der Schwangerschaft psychisch belastet sind, startet in Sachsen ein neues Betreuungsprojekt. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Uniklinikum, Dresdner Jugendamt und dem städtischem Krankenhaus Dresden-Neustadt können Frauen mit psychischen Störungen in Schwangerschaft, Stillzeit und Mutterschaft betreut werden. Das Projekt "Psychisch Gesund Für Zwei", bei dem die Kliniken für Psychotherapie und Psychosomatik sowie Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums federführend sind, wird von der Landesregierung mit 250 000 Euro unterstützt.

Behandlungsmöglichkeiten für psychisch belastete Schwangere gibt es in Dresden bereits. Nur werden bisher in der psychiatrischen Klinik der Uni Patientinnen vorrangig medikamentös behandelt, in der psychosomatischen Klinik psychotherapeutisch. Welche Behandlungsmethode angewendet wird, entscheidet sich damit häufig nicht auf Grundlage fachlicher Erwägungen, sondern dadurch, welche Klinik die Patientinnen aufsuchen. Marie Christine Dekoj, bei der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Projekt beteiligte Psychologin, erklärt, dass durch die Kooperation solcherart Zufälligkeiten beseitigt würden. Vor allem ginge es aber darum, in Dresden "ein Kompetenzzentrum" zur Behandlung betroffener Frauen zu errichten, so die Therapeutin. Es soll als Pilotprojekt verstanden werden, da die Betreuungsmöglichkeiten in ganz Deutschland ausbaufähig seien.

Die häufigsten Krankheiten, die bei Schwangeren behandelt werden, sind laut Dekoj Depressionen und Angststörungen. Die Risiken bei belasteten Mütter seien vielfältig. So könnten psychische Belastungen bei Schwangeren zu Frühgeburten führen, beim Kind zu Anpassungs- und Entwicklungsstörungen. Treten die Probleme nach der Schwangerschaft auf, störe das in der Regel die Mutter-Kind-Beziehung, "im allerschlimmsten Fall kann das Vernachlässigung und Gewalt gegen das Kind bedeuten".

Die viertel Million Euro, die der Freistaat über drei Jahre verteilt dem Projekt zuschießt, werden auch für ein Forschungsprojekt genutzt. Ziel sei es, so Marie Christine Dekoj, durch die erhobenen Daten eine bessere Verknüpfung zwischen psychiatrischen und psychologischen Behandlungsmethoden zu etablieren. Außerdem soll ermittelt werden, welche Behandlungsangebote ausgebaut werden müssten. Auch Dr. Kerstin Weidner, Oberärztin an der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, sieht da großen Nachholbedarf, zum Beispiel in der überdurchschnittlich versorgten Landeshauptstadt. "Ohne ein flächendeckendes Netzwerk für den Großraum Dresden lässt sich die zunehmende Zahl an Betroffenen nicht umfassend beraten und behandeln."

Außer dem Versorgungsaspekt erhofft sich die Forschungsgruppe auch viele neue Erkenntnisse zu Risikofaktoren. So wisse man zwar heute, dass Frauen, die bereits einmal psychisch erkrankt waren, Stoffwechselstörungen haben oder genetisch vorbelastet sind, gefährdeter sein können. Allerdings, so Dekoj, sei es "schwierig, Symptome direkt zu erkennen".

Dem Dresdner Jugendamt werden im Rahmen des Projekts Daten übermittelt. Allerdings, betont die Psychologin, bräuchten Patientinnen keine Angst zu haben, dass sich daraus Probleme für sie ergeben, etwa bei Sorgerechtsfragen. Das Amt erhalte nur anonymisierte Daten. Evelin Hipke vom Dresdner Jugendamt erklärt, dass sie mit dem Forschungsprojekt die Hoffnung verbindet, das kommunale Betreuungsangebot verbessern zu können. "Um Vernachlässigungs- und Misshandlungsfälle zu vermeiden, bedarf es der frühzeitigen Identifikation von Risikofaktoren und der Einleitung von Hilfen", sagt sie.

Das Jugendamt werde darüber hinaus weiterhin zusätzliche Unterstützungsangebote im Bereich der Jugendhilfe, wie zum Beispiel Gesprächsangebote, die parallele Betreuung von weiteren Kindern und Familien, Familienhilfe oder das befristete Leben in einer Mutter-Kind-Einrichtung vorhalten.

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