Hintergrund

Das IQWiG hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, und bei Hausärzten gilt es als wenig nützlich

Wie eine Monstranz haben führende IQWiG-Leute bislang ihre Unabhängigkeit vor sich hergetragen. Abgenommen wird ihnen das nicht. Der neue Chef Jürgen Windeler will daraus Konsequenzen ziehen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Der evidenzbasierten Medizin verpflichtet: das IQWiG in Köln. Doch bei Ärzten hat das Institut ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Der evidenzbasierten Medizin verpflichtet: das IQWiG in Köln. Doch bei Ärzten hat das Institut ein Glaubwürdigkeitsproblem.

© IQWiG

Der überwiegende Teil der Hausärzte ist nicht gut über die Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) informiert und sieht die beiden Einrichtungen eher skeptisch. Der evidenzbasierten Medizin (EbM) steht die Mehrheit positiv gegenüber.

Das zeigt eine Studie des Instituts für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke, die das IQWiG Ende 2007 in Auftrag gegeben hatte. Die Wittener Wissenschaftler hatten Fragebögen an 3409 Hausärzte in sechs KV-Regionen geschickt, 1038 kamen zurück.

Der neue IQWiG-Chef will aus schlechten Noten lernen

"Bei circa einem Viertel bis einem Drittel der teilnehmenden Hausärzte kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht über zumindest grundlegende Kenntnisse zu IQWiG und GBA verfügen; bei den Nicht-Teilnehmern an der Befragung dürfte dieser Anteil noch höher sein", heißt es in der Untersuchung.

Nur 28,5 Prozent gaben an, dass das IQWiG eine politisch unabhängige Einrichtung ist, vom GBA glauben das sogar nur 17,6 Prozent.

Der Aussage "Das IQWiG unterstützt den Hausarzt bei der Arzneiversorgung" stimmen gerade einmal 16,2 Prozent der Befragten zu, nur 15,5 Prozent glauben, dass es einen guten Einfluss auf die Patientenversorgung hat. 62 Prozent gehen davon aus, dass das Institut die Autonomie des Hausarztes beeinflusst.

Nur 18,5 Prozent meinen, es schreibe verständliche Berichte. Beim GBA nehmen nur 4,8 Prozent an, der er mit der hausärztlichen Versorgung gut vertraut ist.

Offensichtlich können Hausärzte den Nutzen des Instituts für ihre Arbeit in der Praxis nicht erkennen. 93 Prozent wünschen sich eine stärkere Berücksichtigung ihrer Situation. 79,4 Prozent fänden es gut, wenn das IQWiG Zusammenfassungen seiner Berichte an Hausärzte senden würde.

"Die Ergebnisse der Untersuchung sind nicht erfreulich, aber auch nicht überraschend", sagt der neue Leiter des IQWiG Professor Jürgen Windeler der "Ärzte Zeitung". Das Institut müsse jetzt Strategien entwickeln, um über seine Arbeit und seine Aufgaben noch besser zu informieren.

Die Untersuchung habe einen wichtigen Zusammenhang aufgezeigt, betont Windeler. "Je besser die Hausärzte wissen, was genau das IQWiG ist, desto weniger kritisch stehen sie ihm gegenüber."

Das IQWiG will künftig Hausärzte besser in seine Arbeit einbeziehen. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass Hausärzte mit ihrer Fachkompetenz in der Versorgung in unseren Sachverständigengruppen für Gesundheitsinformationen mitarbeiten", so Windeler.

"Das IQWiG muss besser darin werden, seine Arbeit in der Öffentlichkeit darzustellen", räumt Windeler ein.

Das könnte beispielsweise über eine gezielte Veröffentlichung der Berichtskurzfassungen in hausärztlichen Publikationen erfolgen. Bei der Information über das Institut und seine Arbeitsergebnisse sieht er aber auch eine Holschuld der Hausärzte.

Auch die Forderung der meisten Hausärzte, das IQWiG solle ihre spezifische Situation aufgreifen, werde das Institut prüfen. Der Erfüllung dieses Wunsches seien aber Grenzen gesetzt. "Unsere Aufgabe ist die Methodenbewertung."

Die Bewertungen müssten aber besser an die hausärztliche Basis transportiert werden, etwa über Publikationen. Hier sieht Windeler aber auch die Organisationen der Hausärzte selbst in der Pflicht. "Wir veröffentlichen Kurzfassungen zu den Berichten und pointierte Mitteilungen", sagt er.

Nur eine Minderheit lehnt evidenzbasierte Medizin ab

In dieser Frage müssen sich sowohl das IQWiG als auch die Hausärzte bewegen, glaubt der Leiter des Wittener Instituts für Allgemeinmedizin und Familienmedizin Professor Stefan Wilm. "Das Institut muss lesbare, umsetzbare Kurzfassungen schreiben, die Medien der Hausärzte müssen sie stärker transportieren."

Bisher würden die Hausärzte den Nutzen nicht erkennen, den sie aus der Arbeit des IQWiG für die Versorgung ihrer Patienten ziehen könnten. Gelingt es dem Institut, das zu ändern, wird sich auch die Haltung der Mediziner verändern, erwartet Wilm. "Es gibt viel positives Potenzial, das man nutzen könnte."

Für besonders bedenklich aus Sicht des IQWiG hält Wilm es, dass gerade einmal 9,1 Prozent die Internetseite www.gesundheitsinformation.de des Instituts kennen. Denn Hausärzte seien wichtige Multiplikatoren für ihre Patienten.

Wilm und Windeler begrüßen die überwiegend positive Einstellung zur evidenzbasierten Medizin. Nur 11 Prozent lehnen die Aussage "Ich betrachte EbM als wichtige Entscheidungshilfe für meine tägliche Arbeit" ab. Zwar dürfe man die Ergebnisse angesichts einer Rücklaufquote von nur 30 Prozent nicht überbewerten, sagt Windeler. "Es ist aber erfreulich, dass die EbM inzwischen relativ breiten Anklang gefunden hat."

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