Hintergrund

Wie krank macht Fluglärm wirklich? Es fehlen geeignete Studien

Bald wird am Frankfurter Flughafen eine weitere Landebahn in Betrieb genommen. Ärzte fürchten um die Gesundheit der Anwohner.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen soll zum Winterflugplan 2011 in Betrieb genommen werden.

Die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen soll zum Winterflugplan 2011 in Betrieb genommen werden.

© Dedert / dpa

Beim Thema Fluglärm sind im Rhein-Main-Gebiet Politiker und Wissenschaftler uneins über die gesundheitlichen Auswirkungen. Neue Studien sollen klären, wie krank Fluglärm wirklich macht.

Professor Thomas Münzel vom Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz gehört zu denjenigen, die vor einer Zunahme des Fluglärms rund um den Frankfurter Flughafen warnen. Er hat dazu mit anderen Ärzten bereits vor einigen Monaten einen offenen Brief an die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen geschrieben. Hintergrund ist die geplante neue Landebahn. Sie führt, so Münzel, mit bis zu 250 000 zusätzlichen Flugbewegungen pro Jahr auch in Mainz zu einer erheblichen Lärmbelästigung.

Ausbau Frankfurter Flughafen

Ende 2007 hat das Hessische Verkehrsministerium eine zusätzliche Landebahn genehmigt. 2020 soll es insgesamt 701 000 Flüge geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Ausbau bestätigt, lehnte aber die geplanten 17 Nachtflüge ab und forderte ein absolutes Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr.

Die Landesregierung hat Revision eingelegt.

In dem Brief fordern Münzel und seine Kollegen unter anderem ein Überflug-Stopp für die Mainzer Uniklinik und das Katholische Klinikum und ein komplettes Nachtflugverbot. Der damalige Ministerpräsident Roland Koch schrieb in seiner Antwort, ein Überflug-Verbot komme nicht in Betracht. Die Lärmbelästigung in Mainz sei noch "zumutbar".

Das Wort "zumutbar" macht das Dilemma der Fluglärmdiskussion deutlich: Wie krank macht Lärm? Es gibt im Rhein-Main-Gebiet Menschen, die ihr Bett in den Keller gestellt haben, damit sie ruhig schlafen können. In Neu-Isenburg werden die Menschen im Schnitt etwa 1,2 mal pro Nacht vom Fluglärm aufgeweckt.

Auch der Landesregierung ist klar, dass es trotz Lärmschutzmaßnahmen zu solchen Beeinträchtigungen kommen kann. "Sie sind hinzunehmen", heißt es dazu im Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenausbau. Die verkehrs- und wirtschaftspolitischen Vorteile des Flughafenausbaus seien höher zu bewerten.

"Wir müssen zu dem heiklen Thema noch mehr Daten haben, um das Risiko besser abschätzen zu können", sagt Münzel. Die Studienlage sei zu dünn. Er selbst untersucht gerade bei 17 000 Probanden, wie sich äußere Einflüsse auf das Herz-Kreislauf-System auswirken.

Die prominenteste Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm stammt vom Bremer Epidemiologen Eberhard Greiser. Er hat die Daten von mehr als einer Million GKV-Versicherten rund um den Flughafen Köln-Bonn ausgewertet und herausgefunden, dass durch Fluglärm das Risiko, Herz- und Kreislaufprobleme oder einen Schlaganfall zu bekommen, steigt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen jüngst auch Forscher um Professor Matthias Egger vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern.

Egger analysierte Daten von mehr als 4,5 Millionen Schweizern, die älter als 30 waren und stellte fest: Am stärksten gefährdet sind Männer, die dem Lärm von mehr als 60 Dezibel seit mindestens 15 Jahren ausgesetzt sind. Er geht davon aus, dass diese Ergebnisse auch für Frankfurt gelten.

FDP und CDU sind skeptisch und sehen den Zusammenhang zwischen Krankheiten und Fluglärm als nicht erwiesen an. Man könne allenfalls von einer Risikoerhöhung sprechen, so der FDP-Verkehrsexperte Stefan Müller. Die Grünen fordern hingegen die Landesregierung zum "raschen Handeln" auf. Zusammen mit SPD und Linken mahnen sie eine epidemiologische Studie zu den Gesundheitsrisiken durch Fluglärm an. Nun soll die gemeinnützige Umwelthaus-GmbH zusammen mit dem Öko-Institut Darmstadt eine Lärmwirkungsstudie auf den Weg bringen - und zwar eine, die alle Lärmquellen, also auch Straßen- und Schienenlärm, im Rhein-Main-Gebiet untersucht. Mit Ergebnissen ist in fünf Jahren zu rechnen. Aber bereits im Herbst 2011 sollen die ersten Flugzeuge die neue Landebahn nutzen.

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