Unions-Pläne zum Versorgungsgesetz: Hehre Ziele und offene Fragen

Bis Ostern will die Koalition ein Eckpunktepapier für eine Versorgungsreform vorlegen. Dissens zwischen Union und BMG zeichnet sich bei der Bedarfsplanung und dem Ordnungsrahmen für MVZ ab. In einigen Teilen hat die Union jetzt ihre Position präzisiert.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Gesundheitspolitiker im Bundestag: Heitere Stimmung zwischen Gesundheitsminister Rösler und CDU-Mann Spahn. Doch beim geplanten Versorgungsgesetz haben beide noch unterschiedliche Vorstellungen.

Gesundheitspolitiker im Bundestag: Heitere Stimmung zwischen Gesundheitsminister Rösler und CDU-Mann Spahn. Doch beim geplanten Versorgungsgesetz haben beide noch unterschiedliche Vorstellungen.

© Metodi Popow / imago

BERLIN. Die Ziele sind hoch gesteckt, die Formulierungen spiegeln einen Idealismus, der wohl kaum in Gesetzesprosa umzusetzen sein wird: "Der Arzt muss den Kopf frei haben. Nur dann kann er sich auf seinen Patienten einlassen."

Es wird auch wohl das Geheimnis der Mitglieder der Unions-Arbeitskreises Gesundheit bleiben, wie sich der Anspruch auf einen "freien Kopf" realisieren lässt.

Mit Rechts-Rokoko versucht es die Union auch bei der Qualifikation künftiger Ärzte: Danach soll erreicht werden, "dass die Kunst des ärztlichen Gesprächs und der körperlichen Untersuchung und ein respektvoller und rationaler Weg zur richtigen Diagnose in Aus-, Weiter- und Fortbildung der Ärzte wieder eine stärkere Rolle spielt (...)".

Die fast lyrischen Formulierungen offenbaren den wahrscheinlich nur geringen Einfluss, den der Gesetzgeber am Ende auf die reale Versorgung wird nehmen können.

So gibt es denn auch nur in einigen Details Weiterentwicklungen zum ersten Papier der Unionsgruppe vom Januar. Die betreffen die vor allem die Bedarfsplanung, deren Prinzipien allerdings zwischen Unions-Gesundheitspolitikern und dem FDP-geführten Bundesgesundheitsministerium in Teilen strittig sind.

Präzisiert hat die Union ihre Pläne für einen sektorübergreifenden Versorgungsausschuss für die Ärzte. Er soll auf KV-Ebene eingerichtet werden.

Darin vertreten sein sollen KV, Landesärztekammer, Landeskrankenhausgesellschaft und Kassen. Ein Mitberatungsrecht - jedoch kein Entscheidungsrecht - haben das Landesgesundheitsministerium, Patientenvertreter und Kommunen.

Der Ausschuss soll nicht entscheiden, wie Ärzte und Leistungsanbieter zu verteilen sind, sondern "welche und wie viele Leistungen für die Versorgung einer Region und ihrer Bevölkerung notwendig sind".

Ein extrem anspruchsvolles Ziel. Denn bei genauer Betrachtung würde dies eine Erhebung und Analyse der regionalen Morbidität und eine Ermittlung der dazu notwendigen medizinischen Ressourcen erfordern.

Festhalten will die Union - und dies entspricht im Prinzip auch einer Forderung der KBV, Planungsbezirke kleinräumiger und flexibler zu gestalten. Dem liberalen Koalitionspartner erscheint dies wohl als quasi-staatliche Planifikation.

Festhalten will die Union an einem Strukturfonds, der aus der Gesamtvergütung der KV gespeist werden soll. Ein Prozent des Honorars aller Ärzte wird vorgeschlagen, um Investitionskostenzuschüsse, Vergütungszuschläge und sogar die Förderung von Studenten zu finanzieren.

Bleibt der Versorgungsausschuss mit seinen Bemühungen erfolglos, so darf die KV Ärzte anstellen, etwa auch zur Versorgung von Pflegeheimen. Auch dies wird aus der Gesamtvergütung aller Ärzte bezahlt.

Die Frage, ob und inwieweit sich Krankenkassen an der Behebung von Unterversorgung beteiligen könnten, wird nicht einmal erwogen.

Einige wichtige Prinzipien für einen fairen Wettbewerb zwischen stationärer und ambulanter Versorgung - vor allem an der Grenze der beiden Sektoren - sollen realisiert werden:

  • Einheitliche Qualitäts- und Qualifikationskriterien für Leistungen, die sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden.
  • Einheitliche pauschalierte Vergütung für ärztliche Leistungen, insbesondere beim ambulanten Operieren und bei 116b-Leistungen.
  • Einheitliche Zulassungsentscheidungen durch den regionalen Versorgungsausschuss; alternativ könnten spezialärztliche Leistungen ausschließlich zum Gegenstand von Selektivverträgen gemacht werden.
  • Das Belegarztwesen soll gestärkt, die Vergütung leistungsgerecht werden.

Auf dem Prüfstand befinden sich Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Mengenbegrenzungen, zum Beispiel durch Regelleistungsvolumina. So wird erwogen, Richtgrößenprüfungen für Arznei- und Heilmittel abzuschaffen und sie durch andere Instrumente zu ersetzen.

Welche, das bleibt weitgehend offen. Information und Beratung sollen vor finanziellen Sanktionen gehen, die ihrerseits pauschaliert werden könnten.

Die Mengensteuerung - vor allem durch Regelleistungsvolumina - soll in unterversorgten Gebieten grundsätzlich entfallen; erbrachte Leistungen sollen immer zum vollen Preis erstattet werden.

Noch recht nebulös sind die Vorstellungen für eine Honorarreform. Die Union plädiert dafür, am Grundsatz der pauschalierten Honorierung festzuhalten, der Selbstverwaltung in begründeten Fällen mehr Spielraum zu geben. Das ist von den erklärten Zielen der KBV allerdings noch sehr weit entfernt.

Weiter unklar: die Selektivverträge

"Es ist notwendig, bei den anstehenden Vorhaben grundsätzlich das Verhältnis von Kollektiv- und Selektivverträgen (...) zu bestimmen." Doch dieser Einsicht sind bislang keine Taten gefolgt, die Menge der Antworten ist beim Unionsarbeitskreis Gesundheit nach wie vor leer. Für die KBV, die KVen, vor allem aber für freie Ärzteverbände, die wie der Hausärzteverband und Medi erhebliche Strukturinvestitionen in Selektivverträge als Alternative zu Kollektiverträgen der KVen getätigt haben, ist vor allem die Frage relevant, ob es nur noch Add-on-Verträge geben soll. Offenkundig hat die Union große Mühe, für die Gesundheitsversorgung einen Ordnungsrahmen für Wettbewerbsmodelle zu definieren. Weiter offen bleibt auch das Schicksal der Integrierten versorgung.

Auflagen für Schönheits-Op

Derzeit können Ärzte ohne Zusatzqualifikation schönheitschirurgische Eingriffe vornehmen. Diesen Missstand will die Unions-Arbeitsgruppe Gesundheit beenden und den Ärztekammern im Weiterbildungsrecht Auflagen machen. Danach soll der Schutz des Begriffs "Schönheitschirurgie" ins ärztliche Berufsrecht aufgenommen werden. Die derzeit geschützte Facharztbezeichnung "plastische Chirurgie" sei zum Patientenschutz nicht ausreichend. Ferner soll es ein generelles Verbot von medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperationen bei Minderjährigen geben. Künftige Schönheitschirurgen werden verpflichtet, eine umfassende Haftpflichtversicherung nachzuweisen, mit der sichergestellt wird, in vollem Umfang haftungsrechtlich abgesichert zu sein.

Lesen Sie dazu auch: Union plant Quasi-Enterbung von Ärzten

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