Der "Kunde" im Gesundheitswesen - Fluch oder Segen?

Mit mehr wettbewerblichen Strukturen im Gesundheitswesen gewinnt der "Kunde" an Bedeutung. Wird er damit zum souveränen Nachfrager von Gesundheitsleistungen? Das ist umstritten.

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BERLIN (wul). Der Versicherte als "Kunde" hat mit dem Aufkommen von Selektivverträgen oder Wahltarifen im Gesundheitswesen an Bedeutung gewonnen, sagte Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband kürzlich beim Grünen Ärztetag in Berlin.

Er forderte, den "Kunden" im Gesundheitswesen nicht zu verdammen. Denn nur dann könnten die Belange und Interessen der Menschen in ihrer Rolle als Patient, Versicherte oder Ratsuchende angemessen wahrgenommen werden. Die Positionen des Patienten und Kunden seien mit unterschiedlicher Souveränität ausgestattet, erläuterte Etgeton.

Während der Patient sich in einem asymmetrischen Verhältnis zum Arzt befinde, stehe der Kunde auf Augenhöhe mit dem Anbieter. Die in der Position des "Kunden" gelockerte Bindung an den jeweiligen Anbieter - verstärkt seiner Ansicht nach die Souveränität des "Nachfragers" von Gesundheitsdienstleistungen. "Die Kunst des Anbieters erweist sich darin, Vertrauen zu rechtfertigen, ohne Abhängigkeiten auszunutzen oder gar zu verstärken", sagte Etgeton.

Um aus dem Preis- und Effizienz- auch einen Qualitätswettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu machen, forderte Etgeton unabhängige Informationen über Qualität der Leistungen und der Leistungserbringer. "Wir brauchen einheitliche Instrumente zur Erhebung von Qualität, und zwar nach Nutzer-relevanten Indikatoren", sagte er.

Hierfür würden sich strukturierte Patientenbefragungen besonders gut eignen. "Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, damit aus der Kundenrolle die Rolle eines souveränen Patienten wird, der im Wettbewerb die richtige Entscheidung trifft", zeigte er sich überzeugt.

Ist für Etgeton die bessere Akzeptanz des "Kunden" im Gesundheitswesen eine wünschenswerte Entwicklung, so sieht der Berliner Hausarzt Harald Kamps gerade dadurch die individuelle Behandlung des Patienten gefährdet. "Wenn der Patient zum Kunden wird, ist er nicht mehr Herr Meier, sondern der Diabetiker, COPDler oder Schlaganfallpatient", kritisierte er.

Werde der Patient zum "Kunden", dann schaffe dies Kategorien, in denen die persönliche Lebensgeschichte eines Menschen ohne Bedeutung sei. "Krankheiten sind aber die Summe der Lebensgeschichte eines Menschen", sagte der Allgemeinmediziner. Wenn man das ernst nehme, dann dürfe man Menschen nicht kategorisieren.

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