Bayern

Über Aufstieg und Fall der Hausärzte

Mit dem gescheiterten Systemausstieg von Bayerns Hausärzten schien der Verband am Ende - dann halfen die Politiker.

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MÜNCHEN. Die Hausärzte in Bayern haben die Politiker nicht nur in den vergangenen fünf Jahren mächtig auf Trab gehalten.

Noch vor der Kommunalwahl im Frühjahr 2008 hatte der Bayerische Hausärzteverband (BHÄV) die Landesregierung mit einer angedrohten Plakataktion in den Praxen unter Druck gesetzt.

Wenige Monate später kündigte der damalige Ministerpräsident Günther Beckstein beim Bayerischen Hausärztetag in Bamberg eine Bundesratsinitiative an, die 2009 auch zu einer Änderung des Paragrafen 73b SGB V führte. Dies räumt dem Hausärzteverband bis heute einen Vorrang beim Abschluss von Hausarztverträgen ein.

Das Verhältnis trübte sich aber deutlich ein, als der BHÄV Ende 2010 den Systemausstieg - bekanntlich erfolglos - probte. Die Krankenkassen in Bayern kündigten alle Hausarztverträge.

Und der damalige Gesundheitsminister Markus Söder nutzte die Gunst der Stunde und zwang den Vorsitzenden des Hausärzteverbandes Dr. Wolfgang Hoppenthaller kurzerhand zum Rücktritt. Der einst mächtige Verband lag am Boden.

BHÄV rief Schiedsamt an

Doch schon 14 Tage später ebnete die Staatsregierung dem BHÄV mit einem Hausärzte-Hearing im Landtag den Weg für eine Rückkehr auf die landespolitische Bühne.

Unermüdlich kämpfte der neue BHÄV-Vorsitzende Dr. Dieter Geis in den folgenden Monaten um den Abschluss neuer Hausarztverträge "nach altem Recht" und fand dabei Unterstützung bei der Staatsregierung.

Als aber deutlich wurde, dass direkte Verhandlungen mit den Kassen zu keinem Ergebnis führen würden, rief der BHÄV schließlich das Schiedsamt an.

Das Gesundheitsministerium berief mit dem ehemaligen Richter am Bundessozialgericht, Dr. Klaus Engelmann, einen intimen Kenner der Materie ins Schiedsamt.

Parallel dazu wiesen die Hausärzte in Bayern immer wieder die Landespolitiker auf einen drohenden Hausärztemangel hin. Sie betonten die Notwendigkeit der Hausarztverträge als Voraussetzung, um hausärztlichen Nachwuchs zu gewinnen.

Dass die Argumente Früchte tragen, zeigt sich jetzt sogar in den Wahlprogrammen der Parteien.

Seehofer beim Bayerischen Hausärztetag

Bayerns Hausärzte haben also längst wieder politischen Boden gewonnen. Das konnte man zuletzt Ende Juni beim Bayerischen Hausärztetag in Augsburg beobachten: Erstmals machte mit Horst Seehofer ein Bayerischer Ministerpräsident dort seine Aufwartung.

Bei der Eröffnung mit dabei auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Am Tag darauf sprach auch noch Gesundheitsminister Marcel Huber zu den Delegierten.

Nur Wahlkampf? Immerhin erklärte Seehofer vor den Gästen und Teilnehmern des Hausärztetages, er werde sich persönlich bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin für die Forderung des Hausärzteverbandes nach Streichung der Refinanzierungsklausel für die Hausarztverträge einsetzen.

Ohne eine solche Vereinbarung werde er einen Koalitionsvertrag nicht unterschreiben. Der BHÄV-Vorstand dankte mit einem Zweckbau im Maßstab 1:87 für Seehofers Modelleisenbahn. (sto)

Lesen Sie dazu auch: Landtagswahl in Bayern: Mit flexiblen Positionen zum Erfolg?

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