Echo auf Linken-Vorstoß

Abschaffung der DRGs kein Allheilmittel

Die Linken fordern das Aus für die DRGs. Stellungnahmen zur Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages zeigen: Sie allein sind aber nicht Ursache der Misere in Kliniken.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:

BERLIN. Könnte sich die angespannte Situation in vielen deutschen Kliniken entschärfen, wenn die Vergütung nach DRGs abgeschafft und eine bundesweit für sämtliche Kliniken verbindliche Personalbemessung eingeführt würde?

Die Bundestagsfraktion der Linken glaubt ja, und fordert in einem Antrag an den Bundestag die Regierung auf, einen "Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Krankenhausfinanzierung vorzulegen", der sich an sozialstaatlichen Zielen orientiert. Dieser solle unter anderem die zwei genannten Elemente berücksichtigen.

Doch in Stellungnahmen zur Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages stoßen die Forderungen auf ein sehr unterschiedliches Echo.

Kassen wollen an DRGs festhalten

So lehnen vor allem die Krankenkassen eine Abschaffung der DRGs vehement ab. Der GKV-Spitzenverband schreibt in seiner Stellungnahme: "Der Antrag ignoriert die zentralen Gründe der DRG-Einführung."

Mit der Einführung der DRGs sei die Vergütung von Krankenhausleistungen "von einer ungerechten und intransparenten Selbstkostenbasis auf eine empirisch ermittelte, gerechte und transparente Finanzierung umgestellt" worden.

Die mit der Umstellung von Tages- auf Fallpauschalen angestrebten Ziele habe man erreicht. So seien die im internationalen Vergleich hohen Verweildauern gesenkt und die Transparenz gesteigert worden.

Heute wisse man, wo welche Leistung erbracht werde und was sie koste. Allerdings waren die Verweildauern auch vor der Umstellung auf DRGs schon deutlich gesunken.

Betrug die durchschnittliche Verweildauer im Jahr 1991 noch 14 Tage, war sie bis zur verbindlichen Einführung der DRGs im Jahr 2004 bereits auf 8,7 gesunken und liegt derzeit bei 7,4.

Auch eine strikte Vorgabe der Personalbemessungszahlen für alle Bereiche lehnt der GKV-Spitzenverband ab. Zwar sei es notwendig, qualitätskritische Bereiche zu identifizieren, eine allgemeine Vorgabe sei aber nicht hilfreich. Um Wirtschaftlichkeitsreserven mobilisieren zu können, brauche das Krankenhausmanagement Gestaltungsspielräume.

Deutscher Pflegerat will DRGs modizifieren

Auch der Deutsche Pflegerat (DPR) spricht sich in seiner Stellungnahme nicht für eine Abschaffung der DRGs aus, will diese aber modifizieren.

Er schlägt vor, pflegespezifische Faktoren - Pflegebedarfsfaktoren - in die Fallpauschalen zu integrieren. So soll der Pflegebedarf besser berücksichtigt werden.

Eine bundesgesetzliche Vorgabe zur Personalbemessung findet der DPR sinnvoll, um die Zahl der Fachkräfte in den Kliniken möglichst schnell zu steigern.

Ob alles Übel in den deutschen Kliniken auf die Einführung der Fallpauschalen zurückzuführen ist, daran hegt der Sachverständige Dr. Bernhard Braun von der Uni Bremen Zweifel.

"Ein nicht zu quantifizierender Anteil der unerwünschten Veränderungen und Ereignisse in der stationären Versorgung beruht allerdings nicht auf den Fallpauschalen, sondern auf anderen, bereits vorher und parallel existierenden Bedingungen und Einflussfaktoren", schreibt Braun.

Dazu zählten die unzureichende Personalausstattung, die anhaltende Trennung der Sektoren und die jahrelange Investitionskostenmisere.

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Kommentare
Dr. Helmut Müller 13.04.201612:39 Uhr

DRG-System: Bürokratie extrem

Die schlechte wirtschaftliche Situation vieler (kleiner) Kliniken ist von der Berliner Politik so gewollt! Schon 2002 hat Lauterbach die Schließung zahlreicher Krankenhäuser gefordert. Und da kein Landrat oder Oberbürgermeister in seiner Region freiwillig eine Klinik schließen wird (>> Wählerstimmen!!) geht das nur über die Erlöse. Parallel dazu haben viele Bundesländer ihre Investitionskosten - zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind - drastisch zurückgefahren. Somit waren die Kliniken gezwungen, die dringendsten Investitionen über die DRG-Erlöse zu finanzieren. Hierfür waren aber die DRG nicht gedacht. Konsequenz: Die Erlöse haben nicht mehr ausgereicht, um die laufenden Betriebskosten u n d die Investitionen abzudecken, also wurde bei den Personalkosten (= höchster Kostenfaktor) gespart. Und diese Abwärtsspirale existiert sein nunmehr 14 Jahren (!!) und geht immer weiter. Da aber leider die betroffenen Bürger und Patienten immer wieder genau die politischen Parteien wählen, die diese Entwicklung zu verantworten haben, wird es absehbar keine Entspannung geben.

Dr. Ilona Köster 13.04.201610:23 Uhr

Patienten schützen und Varianz reduzieren

Man muss sich klar machen, dass jedes Vergütungssystem mit Anreizen verbunden ist - manche im Interesse einer guten Versorgung und andere nicht. Insofern wird es nie ein perfektes System geben. Das Positive am DRG-System ist, dass wir bei ihm (im Prinzip) wissen, wo die Schwachstellen liegen und sie ausbessern könnten. Es ist allen Beteiligten klar, dass die DRG-Systematik mit der permanenten Überprüfung, ob noch weitere "Einsparpotentiale" zu realisieren sind, in Kombination mit Gewinnstreben bei Betreibern leicht zu einem Kellertreppeneffekt bei Personalausstattung und nachfolgend Versorgungsqualität führen kann. Daraus resultiert eine hohe Varianz zwischen guten und schlechten Angeboten - nur dass der Patient oft erst hinterher ahnt, bei welchem er gelandet ist. Gegenmaßnahmen wären Personalbemessungsvorgaben und eine Qualitätsmessung und -transparenz, die diesen Namen verdient. Vielleicht wirkt ja das KHSG etwas in diese Richtung. Gut wäre auch, wenn in diesem Zusammenhang hingeschaut wird, ob ungeliebte da kaum erlösrelevante Leistungen wie Entlassmanagement tatsächlich in angemessenem Umfang und Inhalt erbracht werden.

Alle Beteiligten wissen auch, dass es im DRG-System derzeit lukrative und wenig lukrative Patienten gibt. Warum also findet hier keine Anpassung statt? Im Patienteninteresse müssten insbesondere erhöhte Pflegeaufwände z.B. bei Demenz(-prävention) oder Behinderungen deutlich besser abgebildet werden, um nicht Patienten zweiter oder dritter Klasse zu generieren.

Am wichtigsten aber wäre wohl, wenn die Krankenhausplanung wieder besser ihrer Verantwortung nachkäme und tatsächlich dort, wo verzichtbare Leistungen erbracht werden, Kapazitäten stilllegen würde, anstatt nur auf einen ungesteuerten Wettbewerb bei der Kapazitätsreduktion zu setzen. Da fallen nämlich derzeit nicht die verzichtbaren, sondern die wenig lukrativen Angebote weg - und das sind nicht auch die, die im Sinne einer guten und humanen Patientenversorgung notwendig wären. In diesem Sinne kann man der (Lokal-)Politik nur mehr Mut zur bewussten Steuerung wünschen.

Dr. Andreas Rahn 13.04.201610:01 Uhr

Sparen über alles

Das aktuelle wesentliche Grundübel für die Krankenhäuser ist nicht das DRG-System, sondern der Zwang zum Sparen. Grund dafür ist, dass unsere Regierung davon überzeugt ist, wir hätten zu viele Krankenhausbetten und Betten abbauen möchte.
Das Gesundheitssystem dient nicht in erster Linie dem "Shareholder-Value". Es darf aber auch kein Selbstbedienungsladen sein. Es gibt auch in der Ärzteschaft eine sehr inhomogene Verteilung der Lasten und Gewinne.
Es bedarf einer Umsteuerung. Aktuell haben wir ein Grundproblem damit, wir wir der Gemeinschaft dienende Aufgaben organisieren. Das System, jeden einzelnen "Leistungserbringer" als Profitcenter zu charakterisieren, führt unter Berücksichtigung der Gesamtsituation zu nicht gewollten Effekten. Leider sind die "Linken" die einzige Partei, die von dem seit den 80er Jahren in das Gesundheitswesen einziehenden, angelsächsisch geprägtem, System eine Abkehr befürwortet.
Im Endeffekt werden aktuell die Menschen vor Ort, die die Arbeit machen, d.h. die Patienten versorgen, unter zunehmenden Druck gesetzt. Das darf so nicht weitergehen.

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