Nikotin-Ersatztherapie sollte Regelleistung sein

Rauchen gilt als das mit Abstand größte Todesrisiko, geschätzt 140 000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen der Sucht. Dennoch gilt die Nikotin-Ersatztherapie bei den gesetzlichen Kassen als Life-Style-Produkt. Experten fordern ein Umdenken.

Von Eva Richter Veröffentlicht:
Zerknüllen der Packung ist einfach, Aufhören mit dem Rauchen nicht.

Zerknüllen der Packung ist einfach, Aufhören mit dem Rauchen nicht.

© Foto: imago

BONN. Ist Raucherentwöhnung durch eine Nikotinersatztherapie (NET) effizient und soll sie in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden - über diese Frage diskutierten Mediziner und Ökonomen bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller in Bonn. Bislang zählen zur NET eingesetzte Arzneimittel zu den so genannten Life-Style-Präparaten, die von der Erstattung ausgenommen sind.

"Rauchen ist mit Abstand das größte Todesrisiko", sagte Risikoexperte Professor Klaus Heilmann: "Allein in Deutschland sterben jährlich bis zu 140 000 Menschen an den Folgen." Starke Raucher verkürzten ihre Lebenszeit um acht bis zehn Jahre, zudem erhöhe Tabakkonsum das Risiko, an Lungenerkrankungen, KHK oder Diabetes zu erkranken. "Und das gilt nicht nur für die Raucher, sondern auch für die Passivraucher", erklärte der Mediziner. Sowohl WHO als auch IQWiG hielten die Nikotinersatztherapie für eine effektive Therapiemöglichkeit. "Dass die NET immer noch zu den Life-Style-Produkten nach Paragraf 34 SGB V gehört, ist eigentlich ein Skandal", so Heilmann.

Krankenkassen und Bundesgesundheitsministerium zeigten sich bislang zögerlich, die Nikotinersatz-Therapie in den Leistungskatalog aufzunehmen - aus finanziellen Gründen, aber auch aus Sorge, mit der Aufnahme einen Präzedenzfall zu schaffen, der andere Begehrlichkeiten nach sich ziehen könnte. Eine Therapie mit Nikotinpflaster oder -Kaugummi kostet derzeit 200 bis 400 Euro pro Patient, hinzu kommen rund 250 Euro für den Entwöhnungskurs. Der Patient trägt diese Kosten bisher selbst, für die Teilnahme am Kurs zahlen die Kassen maximal 75 Euro dazu.

Dass zumindest die finanziellen Bedenken ausgeräumt werden können, legt eine Studie nahe, die der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem im Auftrag der Initiative Raucherentwöhnung erstellt hat. Die Initiative ist eine Arbeitsgemeinschaft, die im Bundesverband der Arzneimittelhersteller gegründet wurde.

Kosten spart die Kasse vor allem bei Patienten mit COPD.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die NET kosteneffektiv und ein Ausschluss aus der Erstattung nicht sachgerecht sei. So lag die Erfolgsrate bei Rauchstop-Versuchen mit NET bei 17 Prozent, bei Rauchstop mit Placebo bei zehn Prozent. Vor allem bei COPD-Patienten sei die Kostenersparnis für die Krankenkassen mit rund 2100 Euro pro Person hoch.

Helmut Schröder vom Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen verwies zunächst auf die Raucherentwöhnungsprogramme der Krankenkassen, zeigte sich Veränderungen gegenüber aber aufgeschlossen: "Der Paragraf 34 sollte bei der Raucherentwöhnung überdacht werden." Ihm schweben selektive Verträge mit einzelnen Arztgruppen vor. Ein Vorschlag, den Thomas Hering vom Bundesverband der Pneumologen gerne aufgriff: "Wir brauchen die Nikotinersatztherapie als reguläres Instrument und nicht als nachrangige Maßnahme." Hering warb bei seinen Kollegen auch um mehr Engagement: "Die Bundesärztekammer hat ein Curriculum zur Tabakentwöhnung entwickelt, das über die Landesärztekammern realisiert werden kann. Die Kosten belaufen sich auf rund 300 Euro."

WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle: www.tabakkontrolle.de

Leitlinien: Tabakentwöhnung bei COPD: www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/020-005p.htm

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Kosten und Nutzen

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