Neue vfa-Chefin Fischer will offene und kritische Partner

Mit Birgit Fischer leitet eine ehemalige Gesundheitsministerin und Kassenchefin den Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Die Herkulesaufgabe: Vertrauen und Akzeptanz bei Politik und Gesellschaft herzustellen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Birgit Fischer, einst SPD-Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, vertritt jetzt die forschende Industrie in Berlin.

Birgit Fischer, einst SPD-Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, vertritt jetzt die forschende Industrie in Berlin.

© vfa

BERLIN. Als im März bekannt wurde, dass die Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Birgit Fischer, die Fronten wechselt und am 1. Mai auf dem Chefsessel der forschenden Pharma-Lobby in Berlin Platz nimmt, löste das in Teilen der Politik Kopfschütteln aus. Wenn eine SPD-Sozialpolitikerin und ehemalige Gesundheitsministerin an die Spitze der Interessenvertretung der Pharma-Industrie wechselt, dann ist das für manche so, als würde der Papst zum Lutheraner.

Tatsächlich hat sich Birgit Fischer nicht wegen Arbeitsmangels an der Spitze der Barmer GEK beim vfa beworben. Eher anders herum. Vor allem die großen forschenden Firmen des vfa haben ein Problem: wenig gesellschaftliche Akzeptanz, in der Politik findet man kaum Gehör, ein schwieriges Verhältnis vor allem zur verfassten Ärzteschaft. Der Branche wird von Kritikern Blockadetaktik vorgeworfen. Der Gesetzgeber hat mit der frühen Nutzenbewertung mit der Folge von Höchstbeträgen hart eingegriffen - das hatte man von dieser Koalition so nicht erwartet.

Mit einem personellen Neuanfang an der vfa-Spitze soll sich das Verhältnis zu Politik, Gesellschaft und Partnern im Gesundheitswesen wenden. Birgit Fischer weiß, worauf sie sich eingelassen hat. Danach gefragt, wie ihre bisherige Außensicht auf die Arzneimittelindustrie ist, antwortet sie schnörkellos: "Zwiespältig: mit hoher Bedeutung für die Patientenversorgung, aber auf eigene Interessen konzentriert und nachrangig auf die Ziele des Gesundheitswesens ausgerichtet. Das hat ein schlechtes Image verursacht, das im internationalen Vergleich in dieser Schärfe einmalig ist."

Fast gar nicht werde die Leistung der Industrie wahrgenommen. Das gelte sowohl für den erheblichen Anteil am medizinischen Fortschritt als auch für den Beitrag als forschungsintensive Branche für den Standort Deutschland und seine Prosperität.

Andererseits ist das Problem der pharmazeutischen Industrie auch phänotypisch für das deutsche Gesundheitswesen, in dem Kooperation und Koordination noch immer unterentwickelt sind und sektorenspezifische Eigeninteressen eine große Rolle spielen. Fischer: "Das will die Politik aber nicht mehr hören und macht dann dicht. Was wir brauchen, ist ein anderes Zusammenspiel." Gerade als ehemalige Ministerin habe sie immer wieder erlebt, dass die einzelnen Leistungssektoren stark in ihren eigenen Kategorien und wenig ganzheitlich denken. Das will sie in ihrer neuen Aufgabe ändern.

Gemeinsam mit den forschenden Unternehmen will der Verband unter Fischers Führung ein neues Kapitel in den Beziehungen und in der Kommunikation zu allen Beteiligten im Gesundheitswesen aufschlagen. Eine große Chance sieht sie in direkten Verhandlungen zwischen Kassen und Herstellern. Die starke Internationalität der Pharmabranche könne auch dazu genutzt werden, um den Knowhow-Transfer zwischen verschiedenen Ländern zu organisieren.

Oder auch neue, bessere Beziehungen zu Ärzten. Das müssen nicht zwangsläufig und an erster Stelle die Funktionäre sein. Wichtig sei es, "offene, interessierte und kritische Köpfe als Partner zu gewinnen".

Wichtig sei es, dass die Arzneimittelindustrie ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung verdeutlicht, die weit über die reine Herstellung von Medikamenten hinausgehe. Dazu müsse die Rolle von Forschung und Entwicklung ebenso besser transparent gemacht werden wie ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung.

Das wird ein langer, steiniger Weg.

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