Arzneimittelsicherheit

Datenschutz als Hürde

Um die Arzneimittelsicherheit zu kontrollieren, brauchen Forscher viele Daten. Das Leibniz-Institut baut deshalb seit Jahren eine umfassende Patienten-Datenbank auf. Doch der Datenschutz bremmst die Erstellung aus.

Von Martina Merten Veröffentlicht:
Das Leibniz-Institut baut seit über zehn Jahren eine Patienten-Datenbank auf, um Forschern wichtige Daten zu liefern. Eine Herausforderung: Der strenge Datenschutz.

Das Leibniz-Institut baut seit über zehn Jahren eine Patienten-Datenbank auf, um Forschern wichtige Daten zu liefern. Eine Herausforderung: Der strenge Datenschutz.

© Fotolia/Oleksiy Mark

BERLIN. Die Liste der Limitationen bei klinischen Studien ist nach Ansicht von Professor Iris Pigeot lang: Sie dauerten nicht lang genug, schlössen zu wenig Patienten und darüber hinaus viel zu wenig vulnerable Patientengruppen ein - um nur einige der Einschränkungen zu nennen.

"Das führt dazu, dass die Sicherheit auch zugelassener Arzneimittelmittel häufig nicht gegeben ist", sagte die Leiterin des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) bei einer Podiumsveranstaltung zum Thema Arzneimittelsicherheit in Berlin.

Doch den Wünschen der Forschungsseite nach Einbeziehung von mehr Daten und mehr Patienten werde leider nicht ausreichend Rechnung getragen, ergänzte Professor Wolfgang Ahrens, stellvertretender BIPS-Direktor.

BIPS hat große Datenbank aufgebaut

Um die Sicherheit von Arzneimitteln auch nach deren Zulassung stärker zu kontrollieren, hat das BIPS 2000 mit dem Aufbau einer Datenbank begonnen, die auf den Abrechnungsdaten von mehr als 20 Millionen gesetzlich Versicherten vier großer Krankenkassen basiert. Das entspricht rund 25 Prozent der Allgemeinbevölkerung.

Die Datenbank enthält neben demografischen Angaben Informationen zu Krankenhausaufenthalten, ambulanten Arztbesuchen und Arzneimittelverschreibungen von allen Versicherten, die seit Januar 2004 bei einer der teilnehmenden gesetzlichen Krankenversicherungen versichert waren.

"Die pharmako-epidemiologische Forschungsdatenbank gilt als nationale Referenz für Deutschland", so Pigeot. Jedes Risiko, das das BIPS bei der Aufbereitung dieser Daten finde, werde publiziert. "Wir sind schneller als Contergan", betonte Pigeot.

Problem: Datenschutz bremst das Projekt aus

Es gibt allerdings ein gravierendes Hindernis, das dem Schutz der Gesundheit im Wege steht: Gemäß Paragraf 75 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten - also denen der Sozialversicherungsträger - für Forschung und Planung nur zulässig, wenn ein bestimmtes Vorhaben angestrebt wird. Das bedeutet, erläuterte Ministerialrat Bertram Raum, Referatsleiter beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), "dass für jedes Vorhaben ein eigener Antrag gestellt werden muss".

Nach Ansicht von Dr. Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) schlägt damit "das Pendel zu weit auf der Seite des Datenschutzes". Schließlich stünden dem Schutz der Versichertendaten auch das Recht des Versicherten auf Gesundheit und das Recht auf Wissenschaft gegenüber. Zudem bestehe eine deutliche Diskrepanz zu den laschen Datenschutzregelungen bei diversen Gesundheits-Apps, kritisierte Köster-Steinebach.

Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, forderte zum Schutz der Arzneimittelsicherheit, den Sprung weg vom projekthaften Denken hin zu der Frage: Welche Schritte sind für den Patienten wirklich sinnvoll?

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Exklusiv Krankenkassen-Finanzen

AOK und Ersatzkassen zur Jahresmitte mit 1,8 Milliarden Euro im Plus

Vermehrt Rezeptfälschungen in Umlauf

KVen: Praxen müssen bei Papier-Rezepten mit mehr Rückfragen rechnen

Antidiabetika

Diabetes-Medikation: Welches Inkretin-Mimetikum ist das richtige?

Kommentare
Dr. Richard Barabasch 07.06.201609:37 Uhr

Wenn Vernunft einkehrt

Herr Bruns von der Deutschen Krebsgesellschaft hat''s kapiert ! WEG VOM PROJEKTDENKEN (im sinne von "hätte-wäre-sollte-müsste-wenn" und HIN ZU DER EINIG SINNVOLLEN Frage : was macht für den Patienten Sinn, was nützt dem Patienten ? Eine Stimme der Vernunft im Haifischbecken der Begehrlichkeiten
meint
R.B.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Mikrovaskuläre Dysfunktion

Was ein Belastungs-EKG bei Angina-pectoris-Verdacht bringt

Adipositas bei Kindern und Jugendlichen

Hoffnung auf neue Medikamente zur Gewichtsreduktion bei Kindern

Lesetipps
Frau zeigt ihre Gewichtsabnahme, indem sie eine übergroße Hose hochhält.

© Liubomir / stock.adobe.com

Risikopersonen identifizieren

Unerwarteter Gewichtsverlust: Wie häufig ist Krebs die Ursache?

Impfdurchbruch bei Herpes zoster: Impfen oder nicht impfen?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Impfdurchbruch bei Herpes zoster: Impfen oder nicht impfen?

Anamotische Darstellung der Wadenmuskulatur

© Sanchai / stock.adobe.com

Neue Leitlinie Myalgien

Das sind die Red Flags bei Muskelschmerz