Regressantrag

Keule aus Bayern

"Mia san mia", lobt sich der Bayer gerne. Das gilt auch bei der Verfolgung von Verordnungsverstößen. In Bayern wurden im ersten Quartal 2500 Prüfanträge gestellt. Ärzte in Sachsen-Anhalt und Nordrhein kommen glimpflicher davon.

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MÜNCHEN/MAGDEBURG/KÖLN. Vertragsärzte sind regional in unterschiedlichem Ausmaß von Regressanträgen der Kassen bedroht. Das belegt eine Umfrage der "Ärzte Zeitung", deren Ergebnisse in den vergangenen Wochen publiziert worden sind. Wie unterschiedlich vermeintlich nicht rechtskonforme Verordnungen verfolgt werden, zeigen Berichte aus Bayern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein:

Bayern: Die Kassen in Bayern haben im 1. Quartal 2016 knapp 2500 Anträge auf Einzelregresse wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gestellt. Das hat der Leiter der Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern, Arthur Scheufler, auf Anfrage mitgeteilt. Hinzu kamen noch einmal etwa 2500 Anträge wegen Verstöße gegen die Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung.

Die Anträge auf Einzelregresse beziehen sich nicht allein auf innovative Arzneimittel. Schwerpunkt seien vielmehr seit Jahren immer wieder die gleichen Präparate, die nach der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie nicht verordnungsfähig sind. Die Spannbreite der geltend gemachten Schäden reicht von etwa 20 Euro bis rund 800 Euro, wobei der Durchschnitt der Regresse bei etwa 80 Euro liegt, erklärte Scheufler.

In den meisten Fällen sei die Sache eindeutig: Liegt für die beanstandete Verordnung ein medizinisch begründeter Ausnahmefall vor, gibt es keinen Regress. Das sei aber nicht oft der Fall. In den meisten Fällen gibt es keinen begründeten Ausnahmefall, so dass ein Regress ausgesprochen werden muss. "Da gibt es kein Ermessen", so der Leiter der Prüfstelle.

Anträge der Kassen auf Einzelregresse wegen Heilmittelverordnungen bewegen sich seit etwa anderthalb Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau. Pro Quartal werden etwa 20 Anträge gestellt. Meist geht es um die Verordnung von Massagen oder Krankengymnastik, für die die einzelnen Kassen unterschiedliche Vereinbarungen abgeschlossen haben. Die geforderten Beträge liegen bei etwa 150 Euro, so Scheufler.

"Auch wenn Einzelregresse möglicherweise finanziell nur geringe Auswirkungen haben mögen, so sorgen sie doch für Ärger und auch Aufwand in den Praxen", erklärte dazu die KV Bayerns (KVB). Häufig machten sich die Kassen nicht die Mühe, zulässige Ausnahmen vor der Antragsstellung zu überprüfen. Dadurch entstehe für die Ärzte ein Begründungsaufwand, der sie bis vor das Sozialgericht führen könne, so der KVB-Vorstand.

Ziel des KVB-Vorstandes sei Transparenz bei allen Arten der Prüfungen. "Für die Ärzte, die Verordnungen erstellen, muss es klare Regeln und Handlungsoptionen geben. Das gilt bei Einzelregressen ebenso wie bei den Arzneimittelprüfungen auf der Basis von Richtgrößen oder Durchschnittswerten", betonte die KVB.Mit der Wirkstoffvereinbarung habe man in Bayern einen Weg gefunden, wie jeder Arzt auf der Basis konkreter und transparenter Vorgaben sein Verordnungsgeschehen besser steuern kann. Bei den Heilmitteln sei ähnliches geplant.

Sachsen-Anhalt: Vor Arzneimittelregressen müssen sich Sachsen-Anhalts Ärzte deutlich weniger fürchten als in etlichen anderen Bundesländern. Frei von ihnen sind sie jedoch nicht.

"Seit Jahren ist die Zahl der Regressforderungen mehr oder weniger konstant, schätzt Sachsen-Anhalts KV-Chef Dr. Burkhard John ein. Sie liege im mittleren zweistelligen Bereich. Geahndet würden vorwiegend Verstöße gegen Verordnungseinschänkungen und -ausschlüsse laut Anlage III der Arzneimittelrichtlinie.

John: "Die Praxen kennen diese Regelungen, doch sind diese komplex und mitunter im Praxisalltag nicht immer gegenwärtig. Die Höhe der einzelnen Regressforderungen bewege sich zwischen 50 und 530 Euro.

Problematischer ist aus Sicht der KV, dass Verstöße oft zu spät dem Vertragsarzt mitgeteilt werden. Nicht selten vergehen zwei Jahre und mehr. John: "Wer nicht weiß, dass er einen Fehler gemacht hat, kann ihn schwer vermeiden." So könne sich eine falsche Verordnungsweise wie ein roter Faden durch die Quartale ziehen.

Daher fordert die KV Sachsen-Anhalt: "Es muss nicht mehr, sondern schneller geprüft werden und die Beratung muss im Vordergrund stehen." Das gelte auch für gezielte Informationen über mögliche Fehlerquellen.

Nordrhein: Die KV Nordrhein kann bei Regressen auf Basis der frühen Nutzenbewertung bislang keinen Schwerpunkt bei den Anträgen der Kassen erkennen. Sie verzeichnet im ersten Quartal einen Rückgang: In Nordrhein gab es Prüfungsanträge für 730 Praxen wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, verglichen mit 692 im Jahr 2014. Im Durchschnitt machten die Kassen dabei einen Schaden von rund 300 Euro geltend. Schwerpunkte bei den Antrag stellenden Kassen sieht die KV nicht. "Im Bereich Nordrhein werden Prüfanträge sowohl von Ersatz- als auch von Primärkassen gestellt". Auch bei Regressanträgen im Heilmittelbereich gebe es keine kassenspezifische Besonderheiten, heißt es aus Nordrhein. (sto/zie/iss)

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