Arzneifälschungen

Massiver Schaden für die europäische Pharmabranche

Original oder Fälschung? Ein EU-Bericht zeigt, wie viele Medikamente gefälscht werden. Ergebnis: In Osteuropa werden besonders viele Arzneimittel nachgeahmt.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Imitationen sind oft gut gemacht – manchmal aber auch einfach zu durchschauen.

Imitationen sind oft gut gemacht – manchmal aber auch einfach zu durchschauen.

© nito / fotolia.com

Gefälschte Arzneien schädigten die europäische Pharmaindustrie im vergangenen Jahr mit einer Summe in Höhe von 10,2 Milliarden Euro – 4,4 Prozent aller rechtmäßig verkauften Arzneimittel in der EU zu Großhandelspreisen.

Das geht aus einem aktuellen Bericht des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) in Alicante hervor. Wie das EUIPO hinweist, ließen sich diese Umsatzeinbußen direkt in einen Beschäftigungsrückgang umrechnen.

Fast 38.000 Arbeitsplätze durch Fälschungen verloren

Demnach gingen geschätzt 37.700 Arbeitsplätze verloren. Einfuhreffekte würden bei dieser Zahl nicht berücksichtigt, da die zugehörigen Folgen für die Beschäftigung in diesen Fällen außerhalb der EU aufträten. Auch die Einbußen der EU-Hersteller aufgrund nachgeahmter Produkte auf Märkten in Nicht-EU-Ländern würden hier nicht untersucht.

Die größten absoluten Auswirkungen der Fälschungen sind laut EUIPO in Italien (1, 59 Milliarden Euro) und Spanien (1, 17 Milliarden Euro) zu beobachten, wo die relativen auf Arzneimittelfälschungen zurückzuführenden Umsatzeinbußen über dem EU-Durchschnitt liegen (5 Prozent und 5,9 Prozent).

Deutschland und Frankreich weisen einen relativ geringen Umsatzverlust auf, der mit drei Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 4,4 Prozent liegt, mit absoluten Auswirkungen von ungefähr einer Milliarde Euro pro Land.

In Großbritannien liegen die relativen fälschungsbedingten Umsatzeinbußen mit einem Gesamtumsatzverlust in Höhe von 605 Millionen Euro mit 3,3 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

Spitzenfälscherland Bulgarien

Besonders auffällig: Spitzenreiter bei Arzneifälschungen sind gerade osteuropäische Länder mit einer relativ kleinen Pharmaindustrie. So kommt Bulgarien als EU-Spitzenreiter auf eine Schadensquote von 17,6 Prozent, gefolgt von Rumänien mit 16,6 Prozent und Ungarn mit 13,1 Prozent.

Die relativen Umsatzeinbußen in Finnland und Schweden weichen nicht wesentlich von null ab, was bedeutet, dass kein statistischer Nachweis dafür vorliegt, dass die Umsätze in diesen beiden Ländern durch Fälschungen beeinträchtigt werden, so das EUIPO.

Dies bedeute jedoch nicht, dass ihre pharmazeutischen Industrien nicht durch Arzneimittelfälschungen beeinträchtigt würden – schließlich verzeichneten diese Länder infolge des Vorhandenseins von gefälschten Arzneimitteln in den Märkten anderer EU-Mitgliedstaaten Umsatzeinbußen.

Das Spektrum der gefälschten Arzneien ist in Europa groß. "Wir wissen aufgrund von Analysen der Weltgesundheitsorganisation, dass sowohl Generika als auch innovative Arzneimittel gefälscht werden, von Krebstherapeutika bis hin zu preiswerten Schmerzmitteln", so António Campinos, Exekutivdirektor des EUIPO.

Solche Fälschungen könnten giftig sein und eine ernste Gefahr für die Gesundheit darstellen, ergänzt er.

Der größte Hersteller von Arzneimitteln in der EU ist laut EUIPO Deutschland (41 Milliarden Euro), gefolgt von Irland (26 Milliarden Euro), Frankreich (25 Milliarden Euro ) und Italien (20 Milliarden Euro).

Diese Länder seien auch die größten Ausführer mit einer Handelsbilanz von 25 Milliarden Euro im Falle Deutschlands und 14 Milliarden Euro im Falle Irlands, wobei sich die Gesamtnettoausfuhren der 28 EU-Länder in Drittländer auf mehr als 54 Milliarden Euro beliefen.

Auch der Fiskus wird geprellt

Wie das EUIPO betont, geht mit den Arzneifälschungen nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein fiskaler Schaden einher.

"Geht man davon aus, dass die illegalen Hersteller und Händler ihre Tätigkeiten und den daraus resultierenden Erlös den Behörden nicht melden, können ebenso die Steuerausfälle, die sich aus dem Umsatz mit Arzneimitteln in Höhe von 10,2 Milliarden Euro ergeben, wie die Steuereinnahmen, die auf den vorstehend ermittelten (direkten und indirekten) Gesamtverlust von 17,3 Milliarden Euro entfallen, berechnet werden", heißt es in dem Bericht.

Zur EU-Arzneiindustrie gehören laut EUIPO mehr als 40 000 Firmen, von denen 3 000 Hersteller und die übrigen Unternehmen Großhändler sind. Die durchschnittliche Größe der Firmen unterscheide sich wesentlich zwischen den beiden Gruppen, wobei die Hersteller 150 und die Großhändler 15 Arbeitnehmer pro Unternehmen beschäftigten.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Früherkennung

PSA-basiertes Prostatakrebs-Screening: Langzeitdaten belegen Nutzen

Red Flags

Rückenschmerz: Wer muss sofort ins MRT?

Lesetipps
Vier mittelalte Frauen laufen gemeinsam über eine Wiese und lachen.

© Monkey Business / stock.adobe.com

Wechseljahre

5 Mythen rund um die Perimenopause: Eine Gynäkologin klärt auf

Makro-Nahaufnahme eines Auges mit okulärer Rosazea.

© Audrius Merfeldas / stock.adobe.com

Schwere Komplikationen möglich

Augen-Rosazea: Erst sind’s die Lider, später auch die Hornhaut