Nutzenbewertung

Das Hadern des Josef Hecken

Läuft alles rund bei der frühen Nutzenbewertung? Selbst der GBA-Chef zweifelt mittlerweile - und hadert mit einigen Entscheidungen aus der Vergangenheit. Seiner Meinung nach stößt die Methodik des IQWiG immer öfter an Grenzen.

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Arzneimittel unter der Lupe: Bei der frühen Nutzenbewertung lauern bislang Evidenzfallen, die beseitigt werden müssen, sagt GBA-Chef Josef Hecken.

Arzneimittel unter der Lupe: Bei der frühen Nutzenbewertung lauern bislang Evidenzfallen, die beseitigt werden müssen, sagt GBA-Chef Josef Hecken.

© unpict/ Fotolia.com

DEGGENDORF. Bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln könne man "jeden Tag neue Überraschungen erleben", berichtete der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Josef Hecken, beim 10. Barmer GEK Forum in Deggendorf.

Und: An der "ein oder anderen Stelle" sei sicher auch eine falsche Entscheidung getroffen worden, fügte Hecken hinzu. Auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung", wo Fehlentscheidungen getroffen worden seien, hielt sich der Unparteiische allerdings zurück.

Bei der frühen Nutzenbewertung gehe es um Entscheidungen, die unmittelbar Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben.

Das zeige sich sehr deutlich am Beispiel der Gliptine, wo es klare Signale aus dem Versorgungsalltag gebe, dass möglicherweise 15 bis 20 Prozent der Diabetiker profitieren, wenn statt eines Sulfonylharnstoffes ein Gliptin eingesetzt wird und so das Hypoglykämierisiko erheblich minimiert werden kann, führte Hecken aus.

Sollen Erkenntnisse aus der Versorgung berücksichtigt werden?

Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob fehlende Evidenz nach der Methodik des IQWiG nicht durch Erkenntnisse aus der Versorgung ergänzt werden sollten.

"Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Regelungen zu finden, die helfen, solche Evidenzfallen zu beseitigen", sagte Hecken. Der Einbeziehung von Anwendungsbeobachtungen in ihrer jetzigen Form erteilte Hecken allerdings eine klare Absage.

Die Versorgungsrelevanz müsse in den Entscheidungsprozessen beim GBA stärker berücksichtigt werden, indem etwa eine auf zwei Jahre befristete Nutzenbewertung vorgenommen wird. Der Hersteller hätte dann die Möglichkeit, die fehlende Evidenz in dieser Zeit nachzureichen, erklärte Hecken.

Sicherlich brauche es dann ein eigenes Verfahren für die Preisfindung.

Immer öfter werde der GBA auch mit Orphan Drugs und mit neuen Arzneimitteln konfrontiert, für die die Behörden eine bedingte Zulassung erteilt haben, weil weitere Studien zu verlangen unethisch wäre, berichtete Hecken. Dass es für solche Präparate keine Evidenz gibt, sei das Wesen der bedingten Zulassung.

Befristete vorläufige Nutzenbewertung sollte möglich sein

Auch für solche Arzneimittel, die offensichtlich ein Potenzial haben, sollte es möglich sein, eine auf zwei oder drei Jahre befristete vorläufige Nutzenbewertung vorzunehmen, meinte Hecken.

Denn wenn man diese Präparate von vornherein ablehnen würde, würde damit die Absicht des Gesetzgebers konterkariert, der Innovationen schnell zum Patienten und in die Fläche bringen möchte. Vorstellbar sei hier der vom Unternehmen aufgerufene Preis etwa in Kombination mit Erstattungspreisen aus dem Ausland.

Der Aufruf des Bestandsmarktes sei eine große Herausforderung, erklärte Hecken. Es mache nämlich keinen Sinn, die großen Blockbuster herauszugreifen, die zwei Jahre vor Ablauf des Patentschutzes stehen und die eventuell sogar die Standardtherapie darstellen.

Er bekräftigte seine Auffassung, im Prinzip auf die Nutzenbewertung des Bestandsmarktes zu verzichten und dafür das Preismoratorium um zwei Jahre zu verlängern.

Am Dienstag hatte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei einer Veranstaltung in Stuttgart zum Aufruf des Bestandsmarktes allerdings gesagt: "Dazu gibt es einen klaren Gesetzesauftrag, der zu erfüllen ist." (sto/vdb)

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