Bewertung von Lebensqualität
Denn sie wissen nicht, was sie tun
Das IQWiG hat sich bei seinem Herbst-Symposium ein dickes Brett vorgenommen. Denn Lebensqualität ist ein schillernder Begriff: Schwer zu fassen, aber dennoch unverzichtbar - etwa bei der Nutzenbewertung.
Veröffentlicht:KÖLN. Wenn Experten über gesundheitsbezogene Lebensqualität diskutieren, hat das möglicherweise "nur sehr eingeschränkt mit dem zu tun, was Patienten umtreibt".
Mit diesem Befund stimmte Professor Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), am vergangenen Freitag die Teilnehmer des Herbst-Symposiums ein, zu dem das Institut nach Köln eingeladen hatte.
Das Leitthema "Lebensqualität im Gesundheitswesen" versah der Veranstalter mit einer Frage: "Wissen wir, was wir tun?" Fakt ist, dass gesundheitsbezogene Lebensqualität als patientenrelevanter Endpunkt im Sozialgesetzbuch V ausdrücklich erwähnt ist.
Windeler konstatierte, dass sich der Begriff unter Experten "allgemeiner Wertschätzung" erfreut. Diese stehe aber in krassem Gegensatz "zu dem, was in der Praxis passiert".
Windeler wies Vorhaltungen, das IQWiG nehme das Thema der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in seiner Arbeit nicht ernst genug, als "skurril" zurück - und spielte den Ball an die Politik weiter.
Das Wissen über die Auswirkungen eines neuen Arzneimittels sei bei der Markteinführung "ziemlich gering". Er forderte, nach Abschluss der frühen Nutzenbewertung müsse das Thema auf der Agenda gehalten werden.
Dynamischer Charakter macht die Interpretation schwierig
Vor diesem Hintergrund bezeichnete der IQWiG-Leiter das Vorhaben der Großen Koalition, die Bewertung des Bestandsmarkts einzustellen, als "sehr schwer nachvollziehbar".
Je nach Blickwinkel - etwa aus dem von Patienten, dem Gesetzgeber oder von Wissenschaftlern - werde der Begriff der Lebensqualität unterschiedlich gefasst. Die Probleme würden noch größer, wenn es darum gehe, Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität auszuwerten und zu interpretieren.
Nicht zuletzt mache der "dynamische Charakter von Lebensqualität" bei der Interpretation Schwierigkeiten.
Schließlich sei auch der Stellenwert der Lebensqualität im Verhältnis zu anderen Kriterien (etwa: Verkürzung der Krankheitsdauer, Verlängerung der Lebensdauer) ungeklärt.
"Ist Lebensqualität ein integratives Maß, das alle anderen Kriterien überflüssig macht?", fragte Windeler. Alle diese Umstände beförderten die Gefahr, dass das Kriterium Lebensqualität "missinterpretiert und instrumentalisiert" wird.
Die Vorträge und Präsentationen beim IQWiG-Symposium können nach Angaben des Veranstalters voraussichtlich ab Mitte Dezember online abgerufen werden.