Der Standpunkt

Privatarzt - eine echte Alternative?

Immer mehr Ärzte spüren den Druck der Kassenmedizin: karge RLV und Frust mit der Bürokratie. Manch einer zieht seine Konsequenzen und wird Privatarzt. Für die Versorgung könnte das drastische Konsequenzen haben, meint Hauke Gerlof.

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Der Autor ist stellv. Chefredakteur und Ressortleiter Wirtschaft der "Ärzte Zeitung". Schreiben Sie ihm: hauke.gerlof@ springer.com

Vor ein paar Jahren wollten Ärzte verschiedener Fachgruppen in mehreren Regionen mit der kollektiven Rückgabe ihrer Kassenzulassung das KV-System umkrempeln und die Honorierung auf eine neue Grundlage stellen - auf Basis der Kostenerstattung.

Wenn die große Mehrheit der Vertragsärzte mitgemacht hätte, dann hätten die Initiativen eine Chance gehabt. Letztlich schreckten die meisten Ärzte davor zurück, 80 bis 90 Prozent ihrer Umsätze aufs Spiel zu setzen.

Doch der Frust mit der Kassenmedizin sitzt bei vielen Ärzten tief, vor allem bei manchen Fachgruppen, die, wenn sie konservativ tätig sind, wirklich von äußerst karg bemessenen RLV leben müssen. Daran haben auch die Honorarzuwächse der vergangenen Jahre wenig geändert.

Wer dann realisiert, dass er in seiner Praxis ohnehin überwiegend von Selbstzahlerleistungen und Privatpatienten lebt, der ist nur noch einen kleinen Schritt davon entfernt, einen oder zwei Gänge zurückzuschalten und dann ohne Kassenzulassung die übrig bleibenden Patienten ohne Zeitdruck und Angst vor Regressen zu betreuen.

Die Zahl der ausschließlich privatärztlich tätigen niedergelassenen Ärzte ist zuletzt mit vier Prozent je Jahr auf 11.000 offenbar schneller gestiegen als die aller niedergelassenen Ärzte (1,1 Prozent).

Das zeigen Schätzungen des Bundesverbandes der Privatärzte. Die Aussteiger erschließen als Privatärzte einen Markt, der sich seit Jahren sehr dynamisch entwickelt, den zweiten Gesundheitsmarkt.

Wer seine eigenen Stärken als Arzt kennt und die richtigen Nischen besetzt, hat gute Chancen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, wenn er den Ausstieg gut vorbereitet. Das gilt auch für Hausärzte.

Doch je mehr Ärzte in den zweiten Gesundheitsmarkt abwandern, um so mehr erhöht sich der Druck auf die "Restversorger", eine angemessene Versorgung aufrecht zu erhalten.

Wenn neue Gesetze oder Verordnungen die Bürokratieschraube weiter anziehen oder die Honorare in Zukunft unter Druck geraten sollten, könnte es schnell zu einer Auszehrung der Versorgung kommen - viele Vertragsärzte würden mit den Füßen abstimmen und dem System den Rücken kehren.

Die gesundheitspolitischen Beschlüsse der vergangenen Jahre zeigen, dass Politiker das zumindest teilweise begriffen haben.

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