Interview

"Politik sollte Selbstzuweisung im Labor abschaffen"

Dr. Bartl Wimmer, Geschäftsführer des Augsburger Labordienstleisters synlab, sieht angesichts dubioser Labor-Offerten weiteren Regulierungsbedarf im Laborsektor. Unter anderem fordert er mehr Leitlinien.

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Dr. Bartl Wimmer, Geschäftsführer synlab Services

Dr. Bartl Wimmer, Geschäftsführer synlab Services

© Sabeth Stickforth / synlab

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Wimmer, warum begrüßen Sie die Entscheidung der Bundesrichter zur Abrechnung von Speziallabor-Leistungen?

Dr. Bartl Wimmer: Der Bundesgerichtshof hat damit den Einkauf von Leistungen des Speziallabors auf eigene Rechnung beendet. Das ist ein weiterer Schritt hin zu Kostentransparenz.

Laboranalysen leisten einen wesentlichen Beitrag zur medizinischen Diagnostik. Wir wünschen uns einen Rahmen, der in erster Linie Innovation und Qualität ermöglicht, natürlich auch Kosteneffizienz.

Vor diesem Hintergrund gibt es Überlegungen, die Selbstzuweisung im Labor ganz abzuschaffen. Ich ermuntere die Politik ausdrücklich, diese Idee nicht fallen zu lassen, sondern als ein Mittel zur Kostensenkung weiter zu verfolgen.

Ärzte Zeitung: Was spricht ökonomisch gegen die Ermächtigung von Fachärzten zum Speziallabor?

Wimmer: Es gibt starke Indizien dafür, dass Selbstzuweiser bei Leistungen aus den Laborkapiteln M III und M IV tendenziell in die Menge gehen. Dass Laborfachärzte dafür nur noch auf Überweisung tätig sein dürfen, wurde seinerzeit damit begründet, dass man Anreize zur Mengensteigerung beseitigen will.

Es wäre nur logisch, dieses Prinzip auch auf ermächtigte Fachärzte anzuwenden. Würde man die Selbstzuweisung unterbinden, wäre in einigen Bereichen ein Mengenrückgang in der Größenordnung von 25 Prozent zu erwarten.

Deutschland liegt bei den Gesamtlaborleistungen pro Patient über dem europäischen Durchschnitt, unter anderem eben wegen der Selbstzuweisung.

Ärzte Zeitung: Wie bewerten Sie die Einschätzung, dass in der GOÄ bei Leistungen des Speziallabors noch Spielraum für Absenkungen gegeben ist?

Wimmer: Ich sehe diesen Spielraum nicht. Die Preise für Labortests sind in Deutschland - neben Spanien - im europäischen Vergleich am niedrigsten.

Theoretisch bestünde allenfalls ein Spielraum bei Laboren, die sich die Rosinen herauspicken und ein sehr begrenztes Spektrum von auskömmlich honorierten Parametern bieten.

Synlab als Full-Service-Dienstleister bietet jedoch rund 5000 verschiedene Tests an. Eine solche Vollversorgung ist nur per Mischkalkulation machbar.

Ärzte Zeitung: In welche Richtung sollten Reformen im Laborsektor Ihrer Meinung nach gehen?

Wimmer: Wir wünschen uns zum einen, dass unsinnige Mengenanreize wegfallen. Ebenso wichtig ist aber, dass sinnvolle und innovative Leistungen nicht unterbunden werden, etwa durch fachlich sehr diskussionswürdige Sanktionen von KV-Laborprüfungskommissionen.

Wir haben in der Labordiagnostik derzeit sowohl Unter- als auch Überversorgung. Es wäre wünschenswert, Leitlinien für eine sinnvolle Labordiagnostik festzuschreiben. Diese gibt es bisher nur für wenige Krankheiten.

Das Interview führte Monika Peichl.

Lesen Sie dazu auch: Speziallabor - Lizenz zum Melken von Privatpatienten?

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