Umfrage

"Arzt vor Web" gilt nicht für junge Patienten

Eine Befragung zur Arzt-Patienten-Beziehung zeigt, dass junge Patienten anders ticken als ältere. Ein im Internet populärer Mediziner fordert ein Umdenken: Ärzte müssen im Internet präsent sein, um Patienten zu informieren.

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Trotz allem Unken: Junge Menschen vertrauen mehr und mehr dem Internet in medizinischen Fragen.

Trotz allem Unken: Junge Menschen vertrauen mehr und mehr dem Internet in medizinischen Fragen.

© Tinatin / fotolia.com

HAMBURG. Ärzte genießen in der Bevölkerung höchstes Vertrauen. Dies zeigen Umfragen immer wieder – darauf ausruhen sollten sich Ärzte aber keineswegs. Vor allem das Internet könnte die Beziehung zwischen Patient und Arzt belasten, warnen die Marktforscher von Kantar Health.

Für den kürzlich in Hamburg vorgestellten "Stada Gesundheitsreport 2016" haben sie 2000 Menschen online zur Arzt-Patienten-Beziehung befragt.

"Arzt vor Internet" – diese Regel schien bislang Konsens in der Bevölkerung zu sein, wenn es um gesundheitliche Probleme ging. Dieser Grundsatz könnte aber bald ins Wanken geraten. Zwar wenden sich 49 Prozent der Menschen in Deutschland mit Beschwerden zuerst an den Arzt.

Knapp die Hälfte sucht nicht-ärztlichen Rat

Aber die andere Hälfte sucht zunächst Unterstützung im Internet (17 Prozent), hört auf sich selbst (16 Prozent), auf Familie oder Freunde (elf Prozent), auf den Apotheker (sechs Prozent) oder vertraut auf andere Wege.

Ein sinkendes Vertrauen machen die Marktforscher auch daran fest, wie sich Menschen nach der ärztlichen Erstdiagnose weiter informieren. Zweidrittel holt eine Zweitmeinung ein. Dabei ist die Hauptquelle das Internet, dann folgen das private Umfeld und die Apotheke. Erst an vierter Stelle steht ein zweiter Arzt.

Faustregel: Je älter die Patienten, desto höher das Vertrauen in den Arzt, wobei Frauen grundsätzlich skeptischer sind. Von den jüngeren Befragten (18 bis 29 Jahre) gehen nur 36 Prozent mit gesundheitlichen Problemen zuerst zum Arzt.

Warum gehen Menschen nicht zum Arzt?

Die unterschiedlichen Einstellungen der Altersschichten zeigen sich auch in der Verordnungsdisziplin: Unter den 60 bis 70-Jährigen gaben 87 Prozent der Befragten an, Medikamente exakt so einzunehmen, wie der Arzt dies verordnet hatte. Unter den 18- bis 29-Jährigen waren dies 64 Prozent.

Gefragt wurde auch nach den Gründen, den Arzt zu meiden. 13 Prozent gaben zu lange Wartezeiten und elf Prozent Zeitmangel an. Außerdem meinen elf Prozent, der Arzt könne ohnehin nicht helfen. Zu dieser Einschätzung gelangten wiederum jüngere Menschen deutlich häufiger als ältere.

Der Hamburger Arzt Dr. Johannes Wimmer, der durch Erklärvideos im Internet bekannt wurde und inzwischen im Fernsehen medizinische Sachverhalte verständlich erklärt, appellierte bei der Vorstellung der Ergebnisse an seine Kollegen, sich umzustellen.

Online ist kein Ärzte-Territorium

"Wir denken in unserem geschlossenen Raum Praxis oder Klinik. Online haben wir anderen überlassen – deshalb können wir im Internet auch kein Vertrauen aufbauen", so Wimmer. Er forderte ein Umdenken von Ärzten – auch in puncto Wartezeiten und Öffnungszeiten der Praxen.

Hier sind Ärzte nach seiner Beobachtung nicht flexibel genug, obwohl sich die Menschen im Internetzeitalter daran gewöhnt haben, schnelle und einfache Hilfe zu bekommen: "Da haben wir Ärzte viele Züge abfahren lassen."

Wimmer kritisiert auch, dass viele Ärzte ihren Patienten weder für die Wartezeit auf den Termin, noch nach dem Praxisbesuch genügend Informationen an die Hand geben. Solche Informationen könnten aber helfen – zum Beispiel mit Tipps für Übungen bei Rückenbeschwerden.

Den limitierenden Faktor Zeit erkannte Wimmer ausdrücklich an – das System belohne solche Initiative nicht. (di)

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