Im Zweifel für die Eigenverantwortung

Am 7. Juni wird ein neues Europaparlament gewählt. Anlass für die "Ärzte Zeitung", die deutschen Gesundheitspolitiker in Straßburg und Brüssel in einer Serie unter die Lupe zu nehmen. Was treibt den FDP-Politiker Holger Krahmer an, was sind seine Ziele?

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:

Eigentlich interessiert sich Holger Krahmer mehr für Umweltthemen wie die europäische Abgasnorm, die Luftqualitätsrichtlinie oder Maßnahmen mit Blick auf den Klimawandel als für Gesundheitsthemen. An die Rolle des gesundheitspolitischen Sprechers der FDP im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) sei er gekommen "wie die Jungfrau zum Kind", sagt er.

Dennoch reize ihn die Gesundheitspolitik zunehmend, nicht zuletzt, um zu starke Eingriffe der EU in einzelstaatliche Kompetenzen in diesem Politikfeld zu verhindern, sagt Krahmer. Er zeigt sich davon überzeugt, dass ein Blick über den nationalen Tellerrand helfen kann, festgefahrene Strukturen im deutschen Gesundheitswesen aufzubrechen.

Der gebürtige Leipziger, der sich nach dem Mauerfall bei seinem ersten Besuch in Westberlin keine Jeans, sondern Investmentfondsanteile gekauft hat, wäre kein Liberaler, wenn er dabei nicht auf die Kräfte des Marktes und die Eigenverantwortung der Patienten setzen würde.

"Überregulierungen führen im Zweifel nur dazu, dass wir das Gegenteil dessen erreichen, was wir eigentlich wollen", meint der 38-Jährige. Als Beispiel nennt er die Neufassung der EU-Arbeitszeitrichtlinie, die aus seiner Sicht in Deutschland nur schwierig umzusetzen sei. Nach Meinung des FDP-Politikers sollte sich die EU auf fünf Kernbereiche konzentrieren: eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, innere Sicherheit, Umweltschutz, Binnenmarkt sowie die gemeinsame Währung. "Alles andere, auch die Gesundheitsdienstleistungen, sollte dem Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten überlassen bleiben."

Mit 38 Jahren gehört Krahmer zur jungen Generation der Europaabgeordneten, die die EU nicht nur durch die rosarote Brille betrachten. "Die Europäische Union droht, ein großer Debattierclub zu werden", mahnt der Liberale und drängt auf transparente Macht- und Entscheidungsverfahren.

Gleichzeitig freut ihn, dass gerade unter den jüngeren Politikern in Deutschland das Interesse an Europa wachse. "Meine Fraktionskollegen in Berlin spüren, dass das, was in Brüssel passiert, zunehmend wichtiger wird." Dennoch sieht er, was die EU-Gesundheitspolitik angeht, noch Aufklärungsbedarf, vor allem mit Blick auf die Fülle an europäischen Initiativen im Gesundheitsbereich.

Information, Aufklärung und Dialog sind für Krahmer wichtige Schlüsselworte. Dies rührt nicht zuletzt aus seinem Engagement für die Leipziger Aids-Hilfe, deren Vorstand er mehrere Jahre angehörte. "Das hat meinen Blick dafür geschärft, wie die Gesellschaft mit Krankheiten, Epidemien und vor allem mit den Betroffenen umgeht und wie wichtig es ist, über Erkrankungen wie Aids sowie über die Infektionsrisiken und die Möglichkeiten der Vorbeugung zu informieren", sagt Krahmer.

Zu mehr Offenheit im Umgang mit Informationen will er die Europaabgeordneten auch als Berichterstatter der liberalen Fraktion bei den Verhandlungen über das Pharmapaket drängen. Denn Krahmer hält das der Industrie auferlegte Verbot, über verschreibungspflichtige Arzneimittel zu informieren, für nicht mehr zeitgemäß. "Totalverbote schützen Patienten außerdem nicht davor, falsche Entscheidungen zu treffen", betont der Liberale.

Holger Krahmer (FDP)

Holger Krahmer wurde am 16. Oktober 1970 in Leipzig geboren. Er absolvierte eine Lehre als Instandhaltungsmechaniker, bevor er sich zum Bankkaufmann ausbilden ließ. 2001 machte er sich als Vermögensberater selbstständig. Krahmer ist seit 1993 Mitglied der FDP. Im Juni 2004 zog er ins Europaparlament ein.

375 Millionen EU-Bürger zur Wahl aufgerufen

Am 7. Juni sind die Deutschen aufgerufen, ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament zu wählen (EP). Es ist die siebte Direktwahl zum EP. 375 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Das EP wird dann 736 Abgeordnete aus 27 Mitgliedstaaten umfassen. Deutschland stellt 99 Politiker. In den nächsten Wochen porträtiert die "Ärzte Zeitung" deutsche Europaabgeordnete, die in den kommenden fünf Jahren auch an den gesundheitspolitischen Stellschrauben drehen wollen. (spe)

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