Finanzkrise in Portugal

Gesundheit auf Rationierungskurs

Portugals Gesundheitsversorgung verschlechtert sich, weil die Regierung einen drastischen Sparkurs fährt. Die Widersprüche im Gesundheitswesen verschärfen sich rasant.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Demonstration: In Portugal wehren sich Bürger gegen wachsende Sparmaßnahmen als Folge der Wirtschaftskrise.

Demonstration: In Portugal wehren sich Bürger gegen wachsende Sparmaßnahmen als Folge der Wirtschaftskrise.

© dpa

BERLIN. Die Krise der Gesundheitssysteme in einigen europäischen Ländern führt zu einem wachsenden Gesundheitstourismus innerhalb Europas. Das ist das Schreckgespenst aller Krankenversicherungen in Deutschland.

Für "sehr wahrscheinlich" hält der portugiesische Gesundheitsökonom Professor Fernando Lopes Ribeiro Mendes von der Technischen Universität Lissabon diese Entwicklung.

Die krisenbedingten Kürzungen des Gesundheitsbudgets in Portugal bringen nach Mendes‘ Auffassung wachsende Ungleichheiten.

Der portugiesische Gesundheitsökonom rechnet mit verstärkter Rationierung und warnt vor negativen Folgen für den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung der Bevölkerung, zum Beispiel aufgrund von gestrichenen Grippeschutzimpfungen für Senioren.

Mendes geht davon aus, dass der schlechtere Zugang zu Leistungen die reicheren Bürger Portugals zur Behandlung nach Deutschland und in andere EU-Länder treibt.

Das Gesundheitssystem in Portugal ist ähnlich dem englischen staatlich organisiert und überwiegend aus Steuermitteln finanziert. Mendes hält dieses Modell gesundheitspolitisch für effektiv und verweist dazu auf die zuletzt stetig steigende Lebenserwartung.

Private Op-Leistungen eingekauft

"Doch die steigende Effektivität des Gesundheitssystems ist nicht mit einer vergleichbaren Effizienzsteigerung einhergegangen", schilderte der Gesundheitsökonom das aktuelle Problem Portugals beim Euroforum in Potsdam. Die Gesundheitsausgaben seien vor allem in den Jahren 2006 bis 2008 massiv gestiegen.

Nun setzt die portugiesische Regierung die Sparvorgaben der EU nach Mendes‘ Auffassung jedoch erfolgreich um. "Das Ausgabenwachstum ist unter Kontrolle", sagte er.

Sichtbare Ergebnisse gibt es nach seinen Angaben vor allem in der Arzneimittelpolitik. Die Preise seien zuletzt um 11,8 Prozent gesunken - bei einem Mengenzuwachs um zwei Prozent, der Mendes zufolge vor allem auf einen erhöhten Generikaeinsatz zurückgeht.

Seit Anfang des Jahres werden zudem erhöhte Zuzahlungen zu öffentlichen Gesundheitsleistungen verlangt.

Der Experte äußerte sich nicht zu Angaben, wonach in der touristischen Provinz Algarve der einzige Rettungshubschrauber abgezogen und viele Gesundheitszentren geschlossen werden sollen.

Er räumte aber Finanzierungsschwierigkeiten beim öffentlichen Gesundheitsdienst ein. So sind nach seinen Angaben bis vor Kurzem viele Operationsleistungen bei privaten Anbietern eingekauft worden, um Wartezeiten zu reduzieren.

Diese Leistungen wurden laut Mendes jedoch oft nicht oder sehr verspätet bezahlt. Zudem bleibe der Nachwuchs aus, so dass sich in öffentlichen Gesundheitszentren die Belegschaft durch Berentungen innerhalb weniger Jahre halbiert habe. Ärzte und Pfleger aus Portugal gingen zudem vermehrt ins Ausland.

Lesen Sie dazu auch: Finanzkrise in Griechenland: Arzneien nur gegen Bares Kommentar zur Finanzkrise: Warum Griechen Hilfe brauchen

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