Spanien

"Öffentliches Gesundheitswesen ist nicht zu verkaufen"

Gegen die Privatisierung von Kliniken und Gesundheitszentren sind Ärzte und Krankenpfleger massenweise auf die Straßen gegangen. Nun hofft die "weiße Flut" auf ein Urteil.

Manuel MeyerVon Manuel Meyer Veröffentlicht:

Neben weniger Gehalt, längeren Arbeitszeiten und immer schlechteren Arbeitsbedingungen bereitet vor allem die Privatisierung des Gesundheitssystems Spaniens Ärzten im Zuge der staatlichen Sparpläne besonders heftige Kopfschmerzen.

Noch bis Ende letzten Jahres fanden in Madrid, aber auch in anderen spanischen Städten, gleich mehrmals große Massendemonstrationen von Ärzten und Krankenpflegern statt, um gegen die fortschreitende Privatisierung öffentlicher Gesundheitszentren und Krankenhäuser zu demonstrieren.

"Das öffentliche Gesundheitswesen ist nicht zu verkaufen" lautete das Motto der Demos, an denen landesweit Tausende von Ärzten in ihren "weißen Kitteln" teilnahmen, weshalb die Kundgebungen die "marea blanca", die "weiße Flut", genannt wurden.

Besonders dramatisch ist die Situation in der spanischen Hauptstadt Madrid, wo die Regionalregierung gleich sechs der insgesamt zwölf Krankenhäuser und 27 Gesundheitszentren privatisiert.

Die Regionalregierung verspricht sich davon, bis zu 600 Millionen Euro einsparen zu können. Dazu müssen die sechs Millionen Bewohner der Region seit knapp zwei Jahren auch einen Euro pro Rezept bezahlen.

"Wir befürchten, dass künftig wirtschaftliche Interessen bei der Behandlung im Vordergrund stehen und nicht mehr die Bedürfnisse der Patienten", lehnt Mónica García, Sprecherin der Madrider Fachärztevereinigung (AFEM), die Privatisierungen ab.

Erstmal keine weiteren Proteste

Doch zunächst soll es keine neuen Proteste geben. Der Grund: Der Oberste Gerichtshof der Region Madrid hat vor einigen Monaten die bereits begonnenen Privatisierungen von öffentlichen Krankenhäusern zunächst gestoppt. Die Richter sind der Meinung, dass durch diese Maßnahmen ein nicht wieder reparierbarer Schaden für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung entstehen könnte. Bis Ende des Jahres soll ein Urteil verkündet werden.

15 Monate Proteste und Streiks von Ärzten, aber auch von Patienten, scheinen Effekt gehabt zu haben. Auch eine Madrider Volksabstimmung, an der über eine Million Menschen teilnahmen, sprach sich gegen die Kürzungen im Gesundheitswesen aus.

Haushaltsexperten sehen die Probleme ohnehin nicht bei den Ausgaben, sondern bei den Einnahmen. Anders als Deutschland hat Spanien ein komplett steuerfinanziertes Gesundheitswesen. Die Steuern sind mit der Wirtschaftskrise jedoch weggebrochen.

So baten auch 600 Chefärzte in einem offenen Brief an das spanische Gesundheitsministerium, die Verwaltung zu reformieren und neue Einnahmequellen wie Krankenhauszusatzgebühren zu finden, anstatt zu privatisieren.

Privatisierung - teuer bezahlt?

Auch Fátima Braña vom Ärzteverband Afem warnt vor den Folgen eines so weitgehend privatisierten Gesundheitssystems. Die drei Madrider Krankenhäuser, die bereits in privaten Händen sind und dennoch von der öffentlichen Hand finanziert werden, zeigen, dass die Privatisierung teurer kommt und zudem die Qualität der Patientenbetreuung abnehme, so Braña.

Die Qualität habe in vielen Bereichen etwa beim Krankenhausessen abgenommen. Anders als in öffentlichen Einrichtungen, ist in privaten Krankenhäusern auch kein zweites Staatsexamen nötig.

"Das geht auf die Qualität und drückt die Gehälter", sagt die Afem-Sprecherin. Patienten mit teuren Krankheiten würden zudem an komplett öffentliche Einrichtungen überwiesen.

"Private Träger verwalten die Krankheit, das öffentliche System die Gesundheit. Vorbeugende Maßnahmen spielen im privaten Modell keine Rolle", meint die Ärztin am Infanta Leonor Krankenhaus. Sie gibt zu bedenken, dass Private aus oft rein ökonomischen Gründen auch chirurgische Eingriffe machen, die nicht immer sinnvoll wären.

Lesen Sie dazu auch: Spanien: Klamme Kassen, krankes System

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kolumne „Hörsaalgeflüster“

Global Model WHO: Junge Stimmen für die globale Gesundheit

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Ein Medikament unter vielen, das wenigen hilft? 2400 Wirkstoff-Kandidaten in der EU haben den Orphan-Drug-Status.

© artisteer / Getty Images / iStock

Wirkstoff-Kandidaten mit Orphan-Drug-Status

Orphan Drugs – Risiken für ein Modell

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Ein junges Mädchen wird geimpft – gegen HPV? (Symbolbild mit Fotomodellen)

© milanmarkovic78 / stock.adobe.com

Vision Zero Onkologie

Die Elimination des Zervixkarzinoms

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vision Zero e.V.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!