Großbritannien

Ins Internet statt in die Praxis?

Ins Internet und selbst kurieren statt zum Hausarzt? Das könnte bald in England Realität werden, wenn es nach dem britischen Gesundheitsministerium geht. So sollen Hausärzte entlastet werden.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:

LONDON. Sparpolitik auf britische Art: Um die Kosten in der primärärztlichen Versorgung in Großbritannien "langfristig zu senken", sollten sich Patienten zukünftig "öfter selbst therapieren" und anstatt in die Sprechstunde lieber online gehen. So soll laut Londoner Gesundheitsministerium jeder vierte Hausarztbesuch überflüssig werden.

Hintergrund der kürzlich vom Londoner Gesundheitsministerium vorgestellten neuen Sparpläne ist eine Versorgungskrise im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS). Besonders die staatliche Primärmedizin ist betroffen, was die Arbeitsbelastung staatlicher Hausärzte stark erhöht und zu großer Unzufriedenheit innerhalb der Ärzteschaft geführt hat.

Um Abhilfe zu schaffen, plant das Londoner Gesundheitsministerium Maßnahmen, damit bis zu jeder vierte Hausarztbesuch überflüssig wird. Konkret soll das so aussehen, dass zum Beispiel Patienten öfter von einer Krankenpflegekraft oder von einem Apotheker therapiert werden anstatt vom Hausarzt. So sollen die staatlichen Hausärzte entlastet werden.

Laut Berufsverbänden fehlen im NHS gegenwärtig mindestens 5000 Allgemeinärzte. Das wird vom Gesundheitsministerium zwar genauso gesehen, doch fehlt der Regierung das Geld, tausende neue Hausärzte einzustellen. Der bevorstehende Brexit dürfte diese Lage in den kommenden Jahren eher noch weiter verschlechtern, urteilen Experten.

In einigen Regionen Großbritanniens wie zum Beispiel in der Grafschaft Gloucestershire sowie im Großraum Bristol (West-England) wurde bereits damit begonnen, Nicht-Ärzte wie Apotheker, Krankenpfleger und andere Gesundheitsberufe in die primärärztliche Patientenversorgung mit einzubinden. Simon Stevens, Leiter von NHS England, einem zentralen Verwaltungsorgan, rechnet damit, dass landesweit jeder vierte Hausarztbesuch überflüssig werden könnte.

Außer bestimmte Leistungen an andere Gesundheitsberufe zu delegieren sollen Patienten in Zukunft auch öfter anstatt in die Sprechstunde online gehen, um sich dort die relevanten Informationen und Therapietipps zu holen.

"Nicht jeder Arztbesuch ist notwendig", so Stevens. Der Gesundheitsverwalter schätzt, dass "15 Prozent aller Hausarztbesuche durch Online-Aktivitäten ersetzt" werden könnten.

Britische Ärzteverbände stehen den Vorschlägen grundsätzlich offen gegenüber. Allerdings bestehe die Gefahr, dass medizinisch absolut notwendige Hausarztbesuche wegrationalisiert würden, was Patientenleben gefährde. "Unsere Hausarztpraxen sind überlaufen, Wartezeiten werden immer länger und viele Arztbesuche können delegiert werden", so Richard Vautrey vom britischen Ärzteverband British Medical Association (BMA). "Krankenpfleger, Apotheker und andere Gesundheitsberufe können eine wichtige Unterstützerfunktion für unsere Hausärzte übernehmen."

Brexit und NHS

» 5500 Ärzte und Pfleger aus der EU haben den NHS nach dem Brexit-Votum verlassen: www.aerztezeitung.de/932392

» Folgen des Votums sind bereits spürbar, der NHS verändert sich: www.aerztezeitung.de/929114

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