Soll Beschneidung legalisiert werden?

Die Bundesregierung hat klar zugunsten einer Legalisierung religiöser Beschneidungen Stellung bezogen. Die hitzige Debatte konnte sie damit aber bis jetzt nicht abkühlen. Die Diskussion läuft aber teilweise auch innerhalb der Religionsgemeinschaften.

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Demonstranten protestierten am 13. Juli in New York vor dem deutschen Generalkonsulat für ein deutsches Gerichtsurteil, das die Beschneidung in Frage stellt.

Demonstranten protestierten am 13. Juli in New York vor dem deutschen Generalkonsulat für ein deutsches Gerichtsurteil, das die Beschneidung in Frage stellt.

© Chris Melzer / dpa

BERLIN (dpa). Am Wochenende hat sich die Deutsche Kinderhilfe gegen die von der Bundesregierung geplante Legalisierung religiöser Beschneidungen ausgesprochen. Der Verein warnte vor einem "Blankoscheck für religiös motivierte Kindesmisshandlungen" und verteidigte das Kölner Gerichtsurteil, das die Beschneidung als strafbare Körperverletzung bewertet hat.

Der Protest von Religionsvertretern dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Kindern sehe.

Bundesärztekammer begrüßt Versprechen der Bundesregierung

Die Bundesärztekammer begrüßte dagegen das Versprechen der Bundesregierung, schnell Rechtssicherheit schaffen zu wollen. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir das Urteil für sehr kulturunsensibel und falsch halten", sagte Frank Ulrich Montgomery dem "Tagesspiegel" (Sonntagsausgabe). Gleichzeitig riet er Ärzten weiter davon ab, in der jetzigen Situation zu beschneiden, da die Gefahr der Bestrafung bestehe.

Die Bundesregierung hatte am 13. Juli auf einen Proteststurm von Juden und Muslimen gegen das Kölner Urteil reagiert und angekündigt, rechtliche Klarheit schaffen zu wollen. Konkrete Vorstellungen zu einer gesetzlichen Regelung gibt es aber noch nicht.

Die Kinderhilfe kritisierte, dass in der laufenden Debatte das Thema Religionsfreiheit dominiere. Regierungssprecher Steffen Seibert sei in seiner Ankündigung einer rechtlichen Regelung "nicht mit einer Silbe" auf den Aspekt des Kindeswohls eingegangen, hieß es in der Erklärung des Lobbyvereins.

Kinderhilfe: Zwischen Grundrechten abwägen

"In anschließenden Stellungnahmen der anderen Parteien sieht es nicht anders aus." Die Kinderhilfe forderte, zwischen den Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit abzuwägen. "Eine gesetzliche Regelung kann nur den Einstieg in den Ausstieg der Beschneidung in Deutschland bedeuten", hieß es in der Erklärung.

Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer verteidigte die Haltung der Bundesregierung. "Die Religionsfreiheit in Deutschland ist ein hohes Gut. Die jüdischen und muslimischen Menschen müssen ihren Glauben leben können", sagte die CDU-Politikerin der "Passauer Neuen Presse".

Weiter scharfe Kritik aus der jüdischen Gemeinde in Deutschland

Aus der jüdischen Gemeinde in Deutschland kam weiter scharfe Kritik an dem Kölner Urteil. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, begrüßte die von der Bundesregierung zugesagte Klarstellung. "Den Ankündigungen müssen jetzt aber auch schnell Taten folgen", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Juden demonstrierten in New York für das Urteil

In New York hat es dagegen vor dem deutschen Generalkonsulat eine kleine Demonstration von Juden für das Urteil zur Beschneidung von Jungen gegeben. "Wir sind für eine Genitalautonomie", sagte Jonathan Friedman, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck "I love my foreskin" ("Ich liebe meine Vorhaut") trug.

"Eine Beschneidung ist ein erheblicher Eingriff. Der wird millionenfach bei kleinen Kindern vorgenommen, die sich nicht wehren können, aber ihr ganzes Leben davon beeinflusst werden." Seine Gruppe habe gut 30 Mitglieder, sagte Friedman.

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