Flüchtlingsversorgung

"Psychosoziale Zentren weiter stärken!"

Die Zahl der Flüchtlinge stellt das System vor Herausforderungen. Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, erklärt im Interview mit der "Ärzte Zeitung" die Situation.

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Ärzte Zeitung: Vor welchen Herausforderungen steht die Psychotherapie angesichts der Ankunft von Flüchtlingen mit Traumata?

Dr. Iris Hauth: Unsere Forderung sieht ein gestuftes Vorgehen vor. Zunächst muss das Personal in den Aufnahmeeinrichtungen für die verschiedenen Symptome von psychischen Erkrankungen sensibilisiert werden.

Der Fokus sollte nicht alleine auf den posttraumatischen Belastungsstörungen liegen, bei Flüchtlingen können auch andere psychische Störungen, wie Depression, Anpassungsstörung, Abhängigkeitserkrankung vorkommen.

Im Moment gibt es ja schon Versuche von Ehrenamtlichen, ganz niederschwellige psychosoziale Sprechstunden aufzuziehen. Das sollte überall der erste Schritt sein, der aber auch finanziert werden muss. Zur Prävention von psychischen Erkrankungen ist es wesentlich, für die Flüchtlinge Sicherheit zu schaffen.

Wie können Flüchtlinge in das Gesundheitssystem integriert werden?

Hauth: Ein Problem ist es, psychisch erkrankte Flüchtlinge ins Gesundheitssystem weiterzuleiten. Das liegt auch daran, dass es in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts hier ohnehin Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung gibt. Für Akutsituationen wie zum Beispiel Suizidgefahr gilt das nicht, wohl aber bei Psychotherapien.

Wer soll Ihrer Meinung nach die Behandlung übernehmen?

Hauth: Dafür müssten die psychosozialen Zentren weiter gestärkt werden. Auch die Institutsambulanzen an den Kliniken mit ihren multiprofessionellen Teams könnten das übernehmen. Eine Idee ist, zusätzlich ärztliche und psychologische Psychotherapeuten für die Behandlung von Flüchtlingen zuzulassen.

Auch die Ärzte und Psychologen unter den Flüchtlingen selbst müssen mit einbezogen werden. Diese Kapazitäten zu schaffen, geht nur durch Vernetzung vor Ort, einschließlich der Rekrutierung von Dolmetschern und deren Finanzierung.

Psychotherapie geht nur über Sprache. Als Fachgesellschaft sind wir zudem gefordert, die interkulturelle Kompetenz unserer Mitglieder zu stärken. Die Arzt-Patienten-Beziehung ist in den Herkunftsländern meist eine ganz andere als hier, ebenso das Krankheitsverständnis.

Wir deutschen Ärzte und Therapeuten müssen uns auf diesen kulturellen Hintergrund einstellen.

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