Pflege

Pilotprojekte setzen auf junge Flüchtlinge

Um dem Fachkräftemangel in der Altenpflege effektiv zu begegnen, setzen Pilotprojekte heute auf Ausbildungsangebote für Flüchtlinge. Die ersten Initiativen tragen bereits Früchte.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Der Personalbedarf in der Pflege ist allein mit deutschen Auszubildenden wohl nicht zu stemmen.

Der Personalbedarf in der Pflege ist allein mit deutschen Auszubildenden wohl nicht zu stemmen.

© Alepnull / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Syrien, Afghanistan, Westafrika: Es sind nicht nur die Herkunftsländer zahlreicher junger Migranten, die in diesen Tagen nach Deutschland kommen.

Es sind auch die Heimatländer vieler Patienten und Pflegebedürftiger in deutschen Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Doch türkische oder arabische Sprachkenntnisse sind im Berufsalltag von Krankenpflegern aktuell noch eine Seltenheit - ebenso wie interkulturelle Kompetenz.

Und das, obwohl sie oft eine wichtige Hilfe sein können, um sich mit den Patienten zu verständigen.

Dass Pflegepersonal mit interkulturellem Hintergrund ein Vorteil sein kann, weiß Marco Hahn, Schulleiter der Vivantes-Fachschule für interkulturelle berufliche Bildung Paulo Freire, genau.

Doch gerade Flüchtlinge und Migranten hätten oft keine anerkannten Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse - und somit wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Kultursensibles Curriculum

Seine Berufsfachschule bietet deshalb vor allem jungen Menschen mit Migrationshintergrund eine staatlich anerkannte zweijährige Ausbildung zum Sozialassistenten mit dem Schwerpunkt Pflege.

Sie hat einen Umfang von 2720 Stunden und zeichnet sich durch ein eigenes, kultursensibel ausgerichtetes Curriculum aus.

Angeboten wird auch eine sechsmonatige Basisqualifikation in der Pflege, als Vorbereitung für die zweijährige Ausbildung zum Sozialassistenten.

Es gibt Deutsch- und Integrationskurse sowie die Möglichkeit, einen Mittleren Schulabschluss zu machen. Voraussetzung sind laut Werbeflyer aber "solide Deutschkenntnisse in Wort und Schrift".

Najib Jakobi erfüllte diese Voraussetzungen vor mittlerweile rund drei Jahren: Er kam vor fast 14 Jahren aus Afghanistan, war einer der ersten Absolventen der Berufsfachschule Paulo Freire und pflegt heute in einem Seniorenheim alte Menschen.

Wenn aus den jungen Flüchtlingen Fachkräfte für das deutsche Gesundheitssystem werden, hat das nicht nur Vorteile für Patienten mit Migrationshintergrund, sondern könnte auch helfen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen: Bis 2030 werden laut Schätzungen der Diakonie etwa 50.000 neue Mitarbeitende in der Pflege gebraucht.

"Also liegt es nahe, diese zwei Dinge miteinander zu verbinden: die Notwendigkeit der Integration und den Bedarf an Pflegekräften", sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg.

Auch das Diakonische Werk Württemberg, Welcome Center Sozialwirtschaft, Samariterstiftung und weitere Partner bieten Asylbewerbern die Möglichkeit einer Ausbildung in Branchen, wo es an Fachkräften mangelt: Im Landkreis Böblingen etwa gingen jüngst Pilotprojekte in der Altenpflege und in der Hauswirtschaft an den Start. Zwölf neue Auszubildende in der Pflege werden nun bis zum Herbst 2016 ihre Praxisstellen in den fünf Häusern der Samariterstiftung in und um Leonberg finden.

Verantwortung übernehmen

Zur Würde des Menschen gehöre, dass er Verantwortung übernimmt, für sich, für seine Nächsten, für die Gesellschaft, betont Kaufmann.

"Deshalb tragen wir dazu bei, dass Flüchtlinge die Möglichkeit haben, durch ihre Arbeit für sich und ihre Familie sorgen zu können. Das ist der größte Wunsch der Flüchtlinge selbst."

Das Pilotprojekt soll mit Blick auf eine entsprechende Ausweitung fortlaufend evaluiert werden - und könnte so auch Vorbild sein. Das Bundesarbeitsministerium will entsprechende Konzepte unterstützen: "Eine sinnvolle Arbeit ist für viele der beste Weg, in Deutschland Fuß zu fassen", sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) jüngst bei einem Besuch der Berliner Berufsfachschule Paulo Freire - und bekräftigte dabei, dass junge Asylbewerber, die eine Ausbildung in Deutschland begonnen hätten, diese auch hier beenden könnten.

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