Ganz überraschend hat die Koalition noch einen Passus ins GKV-Finanzierungsgesetz geschrieben, der die Einführung der neuen Gesundheitskarte voranbringen soll. Ob das den Durchbruch für das Mammutprojekt bringt, wird sich aber erst 2011 zeigen.

Von Hauke Gerlof

Als die schwarz-gelbe Koalition im vergangenen Jahr die Geschäfte aufnahm, schöpften die Gegner der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) zunächst Hoffnung: Im Koalitionsvertrag stand Schwarz auf Weiß, dass sich die Regierung "vor einer weiteren Umsetzung" eine "Bestandsaufnahme" des Kartenprojekts vorgenommen hatte. Bedeutete dieses Moratorium vielleicht gar das Aus für eines der größten IT-Projekte weltweit - die Vernetzung von Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern, Apotheken und anderen Akteuren im Gesundheitswesen über die Telematikinfrastruktur?

Im kommenden Jahr werden Ärzte voraussichtlich in ganz Deutschland neue Kartenleser brauchen.

Im kommenden Jahr werden Ärzte voraussichtlich in ganz Deutschland neue Kartenleser brauchen.

© Techniker Krankenkasse

Die Entwicklung in diesem Jahr ging dann doch nicht in diese Richtung. Zwar stockte die Einführung der eGK, die ja nach dem Gesetz eigentlich schon 2006 starten sollte, nochmals für einige Monate. Und die Umsetzung des elektronischen Rezepts und der elektronischen Patientenakte über die Karte ist zumindest vorläufig auf Eis gelegt worden.

Aber spätestens im Frühjahr wurde klar, dass sich die angesagte "Bestandsaufnahme" nicht auf das Ob des Kartenprojekts bezog, sondern nur auf das Wie. Zunächst wurde ein technischer Kompromiss gefunden, der es Vertragsärzten ermöglichen soll, die von den Krankenkassen geforderte Online-Aktualisierung der Versichertendaten auf der Karte zu erlauben, ohne mit dem eigenen Praxissystem online zu sein.

Zwei Gesetzesänderungen fast in letzter Minute

Der Ärztetag blieb dennoch bei der Ablehnung des Projekts - was aber nichts daran änderte, dass die Pflicht zum Online-Stammdatenabgleich im letzten Augenblick ins GKV-Änderungsgesetz mit aufgenommen und beschlossen wurde.

Ähnlich war die Entwicklung auch beim GKV-Finanzierungsgesetz. Schon früh wurde zwar bekannt, dass die Deckelung der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen ausdrücklich nicht für den Aufbau der Telematikinfrastruktrur gelten soll. Aber erst kurz vor Abstimmung des Gesetzes im Bundestag wurde die Bestimmung angefügt, nach der die Krankenkassen verpflichtet werden, bis Ende 2011 die eGK an mindestens zehn Prozent ihrer Versicherten auszugeben. Wer es nicht schafft, muss einen Abzug von zwei Prozent der Verwaltungsausgaben hinnehmen.

Der Rollout stockte 2010 in der Pilotregion Nordrhein

Dieser Passus des Gesetzes brachte Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) wütende Proteste der Kartengegner, aber auch der Krankenkassen ein. Diese haben die eigentlich bereits vorgesehene Ausgabe der Karten (den sogenannten Rollout) in der Pilotregion Nordrhein wegen der Unsicherheit über den Fortgang des Projektes das ganze Jahr über weitgehend auf Eis gelegt. Die Ärzte in der Region, die sich bereits neue Kartenlesegeräte zugelegt haben - nach Aussage der KV Nordrhein waren das knapp 70 Prozent -, haben bisher letztlich kaum Nutzen davon gehabt.

Ob das GKV-Finanzierungsgesetz jetzt tatsächlich den großen Durchbruch für die neue Karte bringt, ist noch nicht sicher. Immer wieder hat es unerwartete Verzögerungen gegeben. Falls sich die Krankenkassen an das Gesetz halten, werden voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2011 bundesweit Patienten im Basis-Rollout mit der neuen Karte ausgestattet werden - und damit auch in die Praxen kommen.

Für die Ärzte würde das bedeuten, dass sie im Laufe des kommenden Jahres in Ruhe die Entwicklung anschauen können. Die Anschaffung neuer Kartenlesegeräte wird dann wahrscheinlich im zweiten Halbjahr anstehen. Ein Online-Abgleich der Stammdaten steht während des Basis-Rollouts noch nicht an. Das kommt dann frühestens 2012.

Zur Jahresendausgabe 2010 der "Ärzte Zeitung" mit allen Artikeln

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