DMP

Noch läuft nicht alles rund

DMP sind mittlerweile fester Bestandteil der Versorgung. Doch es gibt noch ein paar Schwachstellen, wie Evert Jan van Lente, Versorgungsexperte beim AOK-Bundesverband, erklärt.

Von Peter Willenborg Veröffentlicht:
Evert Jan van Lente, stellvertr. Geschäftsführer Versorgung beim AOK-Bundesverband.

Evert Jan van Lente, stellvertr. Geschäftsführer Versorgung beim AOK-Bundesverband.

© AOK-Bundesverband

Ärzte Zeitung: In der Anfangszeit waren die DMP ja sehr umstritten. Wie ist die Lage heute aus Ihrer Sicht?

Evert Jan van Lente: Die evidenzbasierte Medizin findet heute breite Akzeptanz, und die Ärzte haben erfahren, dass Krankenkassen Partner im Einsatz für eine bessere Versorgungsqualität sein können.

Gerade die Hausärzte haben die Chancen erkannt, die in der stärkeren Patientenzentrierung und in der koordinierenden Rolle des behandelnden Arztes stecken.

Und der zusätzliche Aufwand wird ja auch honoriert: Allein 2012 haben die gesetzlichen Kassen etwa 800 Millionen Euro zusätzliches Honorar für DMP gezahlt.

Also läuft in Sachen DMP alles prima?

Vieles läuft rund, aber längst noch nicht alles. Zum Beispiel setzen nicht alle Arztpraxen, die an den DMP teilnehmen, die medizinischen Inhalte und Vorgaben so um, wie es vorgesehen ist.

Auch die Auseinandersetzung mit den Qualitätsergebnissen kommt bei vielen Ärzten noch zu kurz. Das führt dazu, dass Qualitätsziele im DMP nicht erreicht werden und wir viel zusätzliches Honorar für schlechte Qualität zahlen.

Denn die extrabudgetäre Vergütung ist weder an den tatsächlichen Aufwand noch an eine bessere Erreichung von Zielen gekoppelt. Hier wünschen wir uns auch mehr Engagement von den KVen, unseren Vertragspartnern.

Denn auch sie müssten ein ureigenes Interesse an einer besseren Qualität bei der Versorgung der chronisch Kranken haben. Stattdessen haben wir oft das Gefühl, dass nur über Geld und nicht über Qualität geredet wird.

Was meinen Sie konkret, wenn Sie von schlechter Qualität sprechen?

Verbesserungspotenzial sehe ich zum Beispiel bei den Schulungen. Wir wissen aus der Auswertung von Abrechnungsdaten und aus Versichertenbefragungen, dass die Schulungsgruppen oft zu groß sind.

Teilweise ist auch das Schulungsmaterial nicht mehr aktuell, und in vielen Fällen werden die vorgegebenen Zeiten für die Unterrichtseinheiten nicht eingehalten.

Defizite sehe ich auch bei den Überweisungen an die nächste Versorgungsebene und beim Informationsaustausch zwischen Haus- und Fachärzten.

Die DMP haben ja auch das Ziel, dass sich die Patienten aktiv an der Behandlung ihrer Erkrankung beteiligen und gesundheitsbewusster verhalten. Gelingt das aus ihrer Sicht?

In der Evaluation sehen wir durchaus positive Effekte, zum Beispiel beim Thema Rauchverzicht. Bei anderen Faktoren wie beim BMI der Diabetiker gibt es dagegen kaum Bewegung. Insgesamt wünschen wir uns von den Ärzten mehr Engagement bei der aktiven Beteiligung der Patienten.

Dabei kann die AOK vor Ort helfen: Unsere Mitarbeiter informieren gern über Broschüren und andere Angebote der AOK für die chronisch kranken Versicherten.

Wichtig finde ich auch, dass die Ärzte den Patienten einen Ausdruck der Dokumentation mitgeben. Sie kann für den Patienten eine wertvolle Information über den Verlauf der Erkrankung sein.

Können nicht auch die Kassen mehr tun, um ihre chronisch kranken Versicherten zu einem gesundheitsbewussteren Verhalten zu aktivieren?

Ja, das ist und bleibt eine Herausforderung für uns. Wir haben eine Vielzahl von Kursen zu Bewegung, Ernährung und Rauchverzicht im Angebot. Leider kommen diese Infos oft gar nicht bei den Versicherten an, die davon besonders profitieren könnten.

Andererseits tun gerade wir als AOK schon viel. Wir haben zum Beispiel zu allen DMP-Indikationen Patientenhandbücher entwickelt, die unseren Versicherten ganz konkrete Hinweise für den Umgang mit der Krankheit im Alltag geben.

Immer wieder wird kritisiert, dass die Evaluation der DMP keinen Vergleich mit der Regelversorgung vorsieht. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Die AOK und andere Krankenkassen haben aus eigener Initiative mehrere Studien angestoßen, um die DMP nach wissenschaftlichen Standards mit der Regelversorgung zu vergleichen. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die DMP-Versorgung besser ist als die Regelversorgung.

Aber wir müssen uns klar machen, dass die Versorgung im DMP natürlich positiv auf die Regelversorgung ausstrahlt. Kurz gesagt: Ein Arzt, der am DMP Diabetes teilnimmt, wird in der Regel auch die nicht eingeschriebenen Diabetiker in seiner Praxis nach den Regeln des DMP behandeln.

Der Gemeinsame Bundesausschuss arbeitet zurzeit an einer Richtlinie, die einen Vergleich der DMP-Versorgung mit der Regelversorgung vorsieht. Das war schon lange fällig und kann hoffentlich bald umgesetzt werden.

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