Bedarfsplanung bleibt Zankapfel

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Während fast alle Ärzteorganisationen über Personalnot klagen, halten die Kassen dagegen und sprechen von Überversorgung. Mehr Geld für die Sicherstellung wollen sie erst recht nicht locker machen.

Von Helmut Laschet

Wie dezentral soll Medizin geplant werden dürfen? Die Kassen drängen auf zentrale Vorgaben des GBA.

Wie dezentral soll Medizin geplant werden dürfen? Die Kassen drängen auf zentrale Vorgaben des GBA.

© Primabild / Fotolia.com

BERLIN. "Vor dem Hintergrund der fast flächendeckenden Überversorgung, insbesondere im fachärztlichen Bereich, und den bislang fehlenden Möglichkeiten zum Abbau der Überversorgung wird die neu geschaffene Möglichkeit zur Begrenzung von Zulassungen nachdrücklich begrüßt."

Dieser Satz in der fast 300 Seiten starken Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz spricht Bände: Nach wie vor negieren die Kassen den sich entwickelnden Ärztemangel.

Für sie ist Überversorgung vor allem bei Fachärzten manifest - und ansonsten alles ein Problem falscher Verteilung.

Kassen bemühen den Gleicheitsgrundsatz des Grundgesetzes

Insofern finden viele Neuerungen, die die Koalition plant, nicht die Billigung des GKV-Spitzenverbandes. Dies gilt vor allem für eine dezentral gestaltete Bedarfsplanung, insbesondere die Möglichkeit, dass die Landesausschüsse von wesentlichen Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses - bei Planungsbereichen und Verhältniszahlen - abweichen können.

Dagegen fahren die Kassen schweres Geschütz auf und bemühen sogar - im Interesse betroffener Ärzte! - den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 12), der gefährdet werden könne, wenn die regionalen Gestaltungsspielräume zu groß werden.

"Unabdingbar" sei es deshalb, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den Auftrag erhält, regionale Spielräume zu definieren.

Gegen Benachteilung von MVZ

Dagegen begrüßen es die Kassen, dass KVen die Möglichkeit bekommen sollen, in gesperrten Versorgungsbereichen Vertragsarztsitze aufzukaufen. Eine Sonderregelung für Kinder, Ehegatten, Lebens- und Praxispartner lehnen die Kassen allerdings ab.

Eine Benachteiligung von Medizinischen Versorgungszentren, deren Geschäftsanteile nicht mehrheitlich bei Ärzten liegen, halten die Kassen nicht für zielführend. Sie fordern mehr Wettbewerb zwischen verschiedenen Leistungserbringern und Versorgungsformen.

Kassen lehnen Beteiligung am geplanten Strukturfonds ab

Finanziell wollen sich die Kassen nicht zusätzlich an der Sicherstellung beteiligen. Solange das Geld dafür aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung stammt, sind die Kassen einverstanden.

Eine Beteiligung am geplanten Strukturfonds lehnen sie jedoch ab. Der Grund: "Die Krankenkassen haben in den letzten Jahren rund zehn Milliarden Euro zusätzlich für die vertragsärztliche Versorgung aufgebracht."

Medizinische Ausbildung zu finanzieren sei nicht Aufgabe der GKV

Im übrigen gehöre die Finanzierung der medizinischen Ausbildung nicht zu den Aufgaben der GKV.

Eine finanzielle Förderung der Aus- und Weiterbildung müsse daher auf Bereiche beschränkt werden, "in denen heute absehbar Defizite bestehen". Dies sei "ausschließlich" die Allgemeinmedizin, die von den Kassen seit 1999 gefördert werde.

Hartmannbund: Mitbestimmungsrecht für Länder nur dann, wenn sie finanziell in die Verantwortung gehen

Den Kontrapunkt zur Kassenposition setzt der Hartmannbund. Er hält die Bedarfsplanung aufgrund der Erfahrungen für obsolet und lehnt auch die Option für KVen, Arztsitze aufzukaufen ab, auch deshalb, weil dies aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung finanziert werden muss.

Dagegen hält der Hartmannbund die Anreize zur Niederlassung in unterversorgten Regionen für unzureichend. Länder und Kommunen seien in der Pflicht, das gesamtgesellschaftliche Problem anzugehen.

Die Länder sollten nur dann Mitbestimmungsrechte erhalten, wenn sie auch finanziell in die Verantwortung gehen. Sie sollten sich aus Steuermitteln am Strukturfonds beteiligen.

Lesen Sie dazu auch: Reform der Bedarfsplanung bleibt strittig

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