Aktive Einkaufspolitik der Kassen - dagegen machen Krankenhäuser Front

BERLIN/KIEL (HL/di). Eine Kontroverse hat ein Gutachten des Münchner Gesundheitsökonomen Günter Neubauer im Auftrag der AOK Schleswig-Holstein ausgelöst: Er plädiert für Selektivverträge über Krankenhausleistungen und gegen den für 2014 angestrebten bundesheinheitlichen Basisfallwert. Die Kliniken im Norden organisierten dagegen Protest.

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Vor der Kieler AOK-Zentrale demonstrierten Klinikvertreter am Mittwoch gegen ein von der Kasse in Auftrag gegebenes Gutachten.

Vor der Kieler AOK-Zentrale demonstrierten Klinikvertreter am Mittwoch gegen ein von der Kasse in Auftrag gegebenes Gutachten.

© Foto: di

Tatsächlich, so legt Neubauer in dem Gutachten dar, lag der Basisfallwert der schleswig-holsteinischen Kliniken schon im Jahr 2006 mit 3320 Euro nur um 0,9 Prozent unter dem bundesdurchschnittlichen Fallwert. Eine Angleichung würde die Krankenkassen nach Neubauers Berechnungen jährlich 40 Millionen Euro kosten. Für AOK-Mitglieder wäre dies eine Mehrbelastung von 26 Euro.

Neubauer argumentiert, bundesweite Einheitspreise seien ordnungspolitisch der falsche Weg. Er empfiehlt vielmehr, dass Krankenkassen und Krankenhäuser über Leistungen und Preise dezentral und selektiv verhandeln sollten. Zu diesem gewagten Schritt hat sich der Gesetzgeber bislang - auch aufgrund des Widerstandes der Länder - nicht bereitfinden können.

Der Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Krankenhausgesellschaft (KGSH) Bernd Krämer bezeichnete das Gutachten als "Schlag ins Gesicht der in den Kliniken beschäftigten Ärzte und Pflegekräfte". Der niedrige Basisfallwert im Norden zeige, dass sämtliche Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft seien. Als "Schnäppchenmarkt", so Krämer, wollten die Kliniken zwischen Nord- und Ostsee aber nicht dienen. Sie müssen aktuell mit einem Basisfallwert auskommen, der rund fünf Prozent unter den bundesweiten Durchschnittspreisen liegt.

Die Klinikvertreter überreichten deshalb an die AOK eine rote Laterne als Zeichen für das Schlusslicht im Preisgefüge. Die AOK riet den Kliniken, die niedrigen Preise als Wettbewerbsvorteil gegenüber den Kliniken in anderen Bundesländern zu nutzen. Dies ließ Krämer nicht gelten, er kündigte an: "Wir werden genau beobachten, welche Kassen schleswig-holsteinische Interessen vertreten."

Unterstützung erhielten sie von Landesgesundheitsministerin Dr. Gitta Trauernicht. Sie forderte "gleiche Preise für gleiche Leistungen in Krankenhäusern", da alle Krankenversicherten bundesweit künftig einheitliche Beiträge zahlen müssen. Trauernicht verwies auf die entsprechende Einigung der Gesundheitsministerkonferenz im Sommer in Plön, die eine schrittweise Angleichung der Basisfallwerte ab 2010 bis 2014 vorsieht. Im November soll darüber im Bundestag abgestimmt werden.

Würde dies so kommen, dann wären vor allem die Kliniken in den neuen Bundesländern die Gewinner. Denn ihre Basisfallwerte lagen im Jahr 2006 noch zwischen neun und 15 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Bitter würde es hingegen für die Krankenhäuser in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sowie im Saarland, die um bis zu 17 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen.

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