Mit 1800 Euro brutto lockt man keinen in die Pflege

Mit ihren "Praxistagen" wollen SPD-Spitzenpolitiker in den Alltag von Ärzten und Pflegekräften eintauchen. Die Bundesgeschäftsführerin der Partei, Astrid Klug, packte in einer Pflegeeinrichtung in Berlin-Kreuzberg mit an.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Hand anlegen: SPD-Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug lässt sich beim "Praxistag" im Berliner "House of Life" von Pflegenden Abläufe erklären.

Hand anlegen: SPD-Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug lässt sich beim "Praxistag" im Berliner "House of Life" von Pflegenden Abläufe erklären.

© SPD

BERLIN. Von außen wirkt der schmale Betonbau mit den vielen weißen Fenstern wie ein normales Mietshaus im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Gewöhnlich aber ist in diesem Haus, das unter dem Namen "House of Life" firmiert, so gut wie nichts.

Seit Januar 2006 leben hier an die 120 Menschen im Alter zwischen 20 und 55 Jahren. Wegen schwerer Unfälle oder Erkrankungen wie HIV, Parkinson oder Multipler Sklerose (MS) sind die Bewohner auf die Hilfe anderer angewiesen. Sie sind zu jung, um im Altenheim ihr Leben zu fristen. Und zu schwach, um es allein in den eigenen vier Wänden führen zu können.

Einen Steinwurf entfernt von der Einrichtung liegt das Willy-Brandt-Haus, in dem die SPD-Parteispitze residiert. Die Nähe zum "House of Life" mag die Bundesgeschäftsführerin der Partei, Astrid Klug, dazu bewogen haben, bei ihrem "Praxistag" die Pflegekräfte in dem Kreuzberger Heim eine Schicht lang zu begleiten und ihnen bei der Essenszubereitung, beim Verbandswechsel oder der Medikamentengabe zu assistieren, so das dem Laien eben möglich ist.

Wertschätzung für Pflege "extrem wichtig"

Ihr Besuch im "House of Life", sagt Klug, die von Haus aus Diplom-Bibliothekarin ist, sei "sehr bewegend" gewesen. Eine "Menge an persönlichen Eindrücken" habe sie für ihre Arbeit an der SPD-Spitze mitnehmen können.

"Es ist mir noch einmal bewusst geworden, welchen enormen Anforderungen Pflegekräfte im Berufsalltag ausgesetzt sind - sowohl körperlich wie psychisch."

Schon deshalb sei es extrem wichtig, "dass Pflegekräfte von der Gesellschaft mehr Wertschätzung erfahren". Denn nur, wenn professionelle Pflegearbeit gesellschaftlich wie auch politisch anerkannt werde, ziehe es junge Menschen in die Pflegeberufe.

Und Nachwuchs kann die Pflegebranche in Deutschland reichlich gebrauchen. 152.000 Beschäftigte, so eine aktuelle Vorhersage des Statistischen Bundesamts, werden im Jahr 2025 fehlen, um die dann zu erwartende Zahl an Krankenhauspatienten und Pflegebedürftigen versorgen zu können. "Hier muss sich die Politik dringend etwas überlegen", so Klug.

In der Pflicht sieht die SPD-Politikerin aber auch die Arbeitgeber. Jedenfalls sei die Bezahlung von Pflegekräften nach wie vor alles andere als dieser Arbeit angemessen. Drei-Schicht-Dienst, "extrem fordernder Beruf" und am Ende um die 1800 Euro Bruttogehalt im Monat: "Zu wenig, wenn der Pflegeberuf attraktiver werden soll", findet Klug.

Gleicher Zugang zu Pflege - unabhängig vom Geldbeutel

In Sachen Pflegequalität wiederum stünden die Pflegekassen in der Verantwortung, mehr für die Versicherten zu tun. "Es kann und darf nicht sein, dass pflegebedürftige Menschen oder deren Angehörige zusätzlich zu ihrem Schicksal und ihrer Krankheit permanent um ihnen zustehende Leistungen bei den Pflegekassen kämpfen müssen", sagt Klug. Patienten, die etwa inkontinent seien, bekämen kein Geld für Inkontinenzmittel bewilligt oder müssten bei ihrer Pflegekasse "sehr lange und auf sehr bürokratischem Wege" darum kämpfen. "Das ist in großes Problem", kritisiert die SPD-Politikerin - und mahnt ein Umdenken an.

Am Ende hätten all diese Themen "natürlich" mit der Frage zu tun, was die Gesellschaft bereit sei, für Pflege zu bezahlen. Da nicht alle den gleich dicken Geldbeutel hätten, werbe die SPD für ihr Bürgerversicherungsmodell in der Kranken- wie auch in der Sozialen Pflegeversicherung.

Nur damit lasse sich Zwei-oder-Drei-Klassen-Medizin verhindern und sicherstellen, "dass alle den gleichen Zugang zu Gesundheit und Pflege haben". Im April wolle ihre Partei das finale Modell vorstellen und damit einen Kontrapunkt zur Pflegeprämie der Koalition setzen, sagt Klug.

Lesen Sie dazu auch: Die SPD und die Zukunft der Hausärzte

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