Neustart für Schizophrenie-Vertrag

Die Kooperation von AOK Niedersachsen und einer Janssen-Cilag-Tochter bei der Versorgung von Patienten mit Schizophrenie wird auf neue Füße gestellt. "Industrienäher" werde der Integrationsvertrag damit aber nicht.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Patienten mit Schizophrenie sollen im Integrationsvertrag durch ambulante Teams versorgt, Klinikeinweisungen vermieden werden.

Patienten mit Schizophrenie sollen im Integrationsvertrag durch ambulante Teams versorgt, Klinikeinweisungen vermieden werden.

© Vlue / shutterstock

HANNOVER. Niedersachsens AOK und die Janssen-Cilag-Tochter "Institut für Innovation und Integration im Gesundheitswesen GmbH" (I3G) aus Neuss stellen ihre Kooperation neu auf.

Ihr umstrittener IV-Vertrag zur Versorgung von Patienten mit Schizophrenie in Niedersachsen ist zum Teil neu strukturiert worden: Die medizinisch-organisatorische Umsetzung liegt künftig in Händen einer Tochterfirma der I3G.

Der IV-Vertrag soll Schizophrenie-Patienten durch ambulante Teams versorgen helfen, um dadurch teure Klinikeinweisungen zu vermeiden. Zu Beginn hatte die AOK Niedersachsen den Vertrag ausgeschrieben und dann I3G den Zuschlag gegeben.

I3G hat die Gesellschaft "Care for Schizophrenia" (Care4S) des Psychiaters Dr. Matthias Walle aus Hemmoor mit der medizinischen Umsetzung beauftragt, also mit der Akquisition der Ärzte, der Abrechnung und der Organisation der Versorgungseinheiten.

Janssen-Cilag gehört zum US-amerikanischen Unternehmen Johnson & Johnson.

I3G soll der Kasse mit dem Geld des Mutterkonzerns im Rücken die mit der Organisation des Vertrages verbundenen Kosten abnehmen, in der Hoffnung, dass weniger Klinik-Einweisungen der Kasse geringere Kosten als derzeit verursachen.

Umstellung noch in der Übergangsphase

Für diesen Fall haben I3G und die AOK vereinbart, die Einsparungen untereinander zu teilen. Diese Konstruktion ist nun zum Teil zerbrochen und wurde neu aufgestellt: I3G hat eine eigene Tochtergesellschaft zur medizinischen Umsetzung des Vertrages gegründet und hat sie genauso genannt wie die alte: Care4S.

"Wir wollten damit sicherstellen, dass Patienten und Leistungserbringer nicht verwirrt werden", sagt Marlis Richter, Vorsitzende der Geschäftsführung von I3G, der "Ärzte Zeitung".

Der Sitz der neuen Care4S ist Hamburg. Juristisch werde die Firma von einer Konzernjuristin von Johnson & Johnson vertreten, so Richter auf Nachfrage.

Auch der Leiter der Finanzen sei bei Johnson & Johnson angestellt. Mit der Neukonstruktion des Vertrages sei die medizinische Umsetzung nicht näher an das Pharmaunternehmen herangerückt, sagt Richter: "Die alte Care4S hatte einen Dienstleitungsvertrag mit I3G und die neue Care4S hat ebenfalls einen Dienstleistungsvertrag mit I3G."

Für Versicherte und Partner ändere sich mit der Neustrukturierung nichts, hieß es. Was die Umstellung angehe, sei man "noch in der Übergangsphase", so Richter, zunächst müssten noch "alle Patienten und Leistungserbringer aufgeklärt werden und sich einverstanden erklären."

Die AOK Niedersachsen hat unter ihren Versicherten 13.000 Patienten mit Schizophrenie, sagt Richter. Im November 2011 seien "fast 400" Patienten in den Vertrag eingeschrieben, so die I3G in einer Mitteilung.

Im vergangenen Sommer waren noch rund 320 Patienten gewesen. Nach Angaben Richters haben rund 90 "Leistungserbringer" unterschrieben, darunter 64 Ärzte und etwa 16 Pflegedienste.

Schleppende Patienteneinschreibung

Nach Angaben der AOK sind derzeit ebenfalls zwei Krankenhäuser, eines in Lüneburg und eines in Twistringen, mit ihren Pflegediensten als Versorger mit im Boot.

Möglicherweise sei die schleppende Patienteneinschreibung Grund für die Umstrukturierung gewesen, sagt Professor Peter Falkai, Psychiater an der Universitätsklinik Göttingen.

Die Zahl der eingeschriebenen Patienten macht Richter aber keine Sorgen: "Wir haben von vorneherein mit einer Investitionszeit von drei bis vier Jahren gerechnet", so Richter, "erst dann kann man vielleicht durch reduzierte Krankenhausaufenthalte der Patienten mit einer Honorierung der Managementgesellschaft rechnen."

Als Grund für neue Konstruktion gab Richter die bisher zu unübersichtlichen Kommunikationsstrukturen an - und: "Bei der Akquisition wurden uns zu wenige sozialpsychiatrische Verbünde in den Gemeinden vor Ort mit einbezogen, zum Beispiel Psychiater, die schon lokale Versorgungsstrukturen entwickelt haben."

Man habe aber das Konzept anderen Akteuren nicht "von außen überstülpen" wollen, erklärt die I3G-Geschäftsführerin.

Psychiater Dr. Matthias Walle, der für die Akquisition verantwortlich war, erklärt dazu: "Wir haben ganz besonders gemeindepsychiatrische Strukturen berücksichtigt und mit einbezogen", so Walle, "und wir haben auch entsprechende Verträge geschlossen."

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