Techniker Kasse

Erste Selektivverträge zu rein digitalen Medizin-Produkten

Die Techniker Krankenkassse hat mit zwei Häusern der Charité einen Vertrag über den Einsatz des "Molecular Health Guide" abgeschlossen. Mit ihm können Patientendaten leichter zusammengeführt und interpretiert werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die Zusammenführung großer Datenmengen wird auch in der Medizin immer wichtiger.

Die Zusammenführung großer Datenmengen wird auch in der Medizin immer wichtiger.

© wladimir1804/stock.adobe.com

DÜSSELDORF. Die Präzisionsmedizin in Kombination mit der Auswertung großer Mengen molekularer Informationen eröffnet neue Behandlungschancen und wird langfristig aus der Versorgung nicht mehr wegzudenken sein. Davon ist Dr. Friedrich von Bohlen und Halbach überzeugt, Geschäftsführer des Unternehmens Molecular Health. "Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, die kein Zurück mehr kennen wird", sagte von Bohlen und Halbach auf dem Medica Econ Forum der TK in Düsseldorf.

Das weltweite Wissen in der molekularen Medizin verdoppele sich alle zwei Jahre. Über die gezielte Auswertung der immer aktualisierten Informationen – Stichwort Big Data – können Ärzte das Wissen für gezielte Therapieentscheidungen nutzen.

Arzt sucht aus, was er benötigt

Molecular Health hat das Technologiesystem Dataome zur Aufbereitung biomedizinischer Informationen entwickelt. Die Applikation "Molecular Health Guide" kann die Informationen mit den spezifischen Daten von Patienten abgleichen. Sie ist als Medizinprodukt zugelassen. Das System liefert Hinweise zu Therapieoptionen, ineffektiven Therapien oder Arzneimittel-Interaktionen. Der Arzt kann zusammenstellen, welche Angaben er benötigt, und sich einen Bericht ausdrucken lassen. Zurzeit stehen Krebserkrankungen im Fokus, langfristig sei der Einsatz aber bei allen Erkrankungen möglich, sagte von Bohlen und Halbach.

Selektivverträge sind nach seiner Meinung das geeignete Mittel, um solche Anwendungen in die Versorgung zu bringen. Molecular Health hat vor rund einem Jahr einen Vertrag mit der TK und der Berliner Charité über den Einsatz der Datenbank bei der Behandlung von krebskranken Kindern und Jugendlichen mit einem Rezidiv abgeschlossen. "Wir sind die Ersten, die es geschafft haben, einen Selektivvertrag über ein rein digitales Produkt abzuschließen", betonte er.

An dem auf drei Jahre angelegten Vertrag sind zwei Häuser der Charité beteiligt, die von der Deutschen Krebsgesellschaft als onkologisches Spitzenzentrum zertifiziert sind. Ärzte sind im Umgang mit der Applikation geschult worden. Pro Jahr sollen 20 junge Patienten teilnehmen.

Patienten werden einbezogen

In einem Tumorboard beraten Ärzte zunächst über das therapeutische Vorgehen. Darüber hinaus wird den Eltern angeboten, in einem zweiten Tumorboard die über die Applikation gewonnenen Informationen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. "Jetzt können wir viel schneller als bisher die Daten interpretieren und zu einer Behandlungsempfehlung kommen", berichtete Dr. Johannes Schulte, Pädiater und Onkologe von der Charité. Die effiziente Zusammenführung der Daten mithilfe der Software sei gerade in zeitkritischen Situationen wie progredienten Krebserkrankungen ein großer Fortschritt.

Natürlich habe man sich der Datenvielfalt auch in der Vergangenheit "zu Fuß" nähern können, sagte Schulte. Dabei habe es aber nur punktuelle Erfolge mit gutem Ansprechen auf eine molekulare Therapie gegeben. "Um das in die Routine zu bringen, braucht man ein sehr viel effizienteres Verfahren und standardisierte Abläufe." Das sei mit der Software von Molecular Health gegeben. Der Pilotvertrag erlaubt einen Blick in die Zukunft der Versorgung, glaubt Klaus Rupp, Leiter des Fachbereichs Versorgungsmanagement bei der TK. "Die IT wird immer mehr integraler Bestandteil von Selektivverträgen."

Bei der molekularen Medizin sei es wichtig, dass Patienten oder Angehörige in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. "Der Patient hat ein Anrecht auf die Daten, aber auch ein Anrecht auf Nicht-Wissen", betonte Rupp. Die Analyse kann zu dem Ergebnis kommen, dass keine Therapie möglich ist. Darüber werden die Eltern vorab informiert. "Es ist eine hohe Anforderung an die Ärzte, dieses Wissen zu vermitteln", sagt Rupp der "Ärzte Zeitung". Die Beratung wird über den Vertrag extra vergütet. Die TK plant nach Angaben von Rupp, das Projekt auf möglichst viele Zentren auszuweiten. "Sonst bekommen wir keine validen Ergebnisse." Es soll untersucht werden, ob die Versorgung durch den software-basierten Therapievorschlag verbessert wird. Die TK führt auch Gespräche mit anderen Kassen über die Beteiligung an dem Vertrag.

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