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Gentests auf dem Prüfstand

Wie soll Europa mit Gentests umgehen? EU-Parlamentarier fordern Aufklärung und das Recht auf Nichtwissen.

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Streit um Gentests: Die Vorstellungen der EU-Kommission gehen den Parlamentariern nicht weit genug.

Streit um Gentests: Die Vorstellungen der EU-Kommission gehen den Parlamentariern nicht weit genug.

© lily / fotolia.com

BERLIN. Eine Gruppe von Europaparlamentariern fordert Mindeststandards unter anderem für HIV-Tests, Hepatitis-C-Tests und DNA-Tests.

So sollten Ärzte verpflichtet werden, Patienten "angemessen genetisch zu beraten", wenn es sich um prediktive Diagnostik handele, heißt es in einem Antrag aus dem Parlament zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission.

Bei einer bestehenden Krankheit solle eine einfache Information ausreichen. Zudem sollte vor klinischen Prüfungen solcher In-vitro-Diagnostika die Zustimmung einer Ethikkommission vorliegen.

"Prinzip der informierten Zustimmung auch für Gentests"

Auslöser des Vorstoßes sind die Vorschläge der Kommission für die Regulierung von In-vitro-Diagnostika und Gentests. Dieses Verfahren verläuft parallel zur aktuellen Novellierung der Medizinprodukte-Richtlinie.

Zu den Unterstützern zählen auch Dr. Peter Liese (EVP) und die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Dagmar Roth-Behrendt (SPD).

Mit den Änderungen solle der stark auf die Produktqualität abzielende Vorschlag der Kommission um ethische Komponenten und Aspekte des Patientenschutzes ergänzt werden, sagte Peter Liese bei einer Diskussionsveranstaltung am Montag in Berlin.

Unter Verweis auf den umstrittenen Praena-Test sagte Liese: "Wir wollen auch für Gentests das Prinzip der informierten Zustimmung gewährleistet wissen."

Damit ist gemeint, dass Patienten das Recht auf Nichtwissen haben sollten, wenn ein Test Hinweise auf eine spätmanifestierende Krankheit wie Chorea-Huntington, Brustkrebs oder Zystennieren ergeben sollte.

Mehrkosten von mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr

Betroffen seien viele Arztgruppen, nicht nur die Humangenetiker, ergänzte Professorin Jeanne Nicklas-Faust, Bundesgeschäftsführerin der Bundesvereinigung Lebenshilfe.

Ergebnisse von Gentests seien anders zu behandeln als gewöhnliche Laborbefunde. Sie seien keine Momentaufnahmen, sondern über die Lebensdauer unveränderlich.

Weise das Genom eine bestimmte Krankheitsanlage auf, müssten Ärzte in der Lage sein, die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs dieser Krankheit zu interpretieren. Dies sei nach wie vor zu selten der Fall, klagte Nicklas-Faust.

Die Industrie sage Ja zur Verschärfung der Anforderungen an die In-vitro-Diagnostika, sagte Dr. Martin Walger, Geschäftsführer des Verbands der Diagnostica-Industrie. Sie brauche das Vertrauen der Verbraucher in ihre Produkte und ebenso das Vertrauen in die Zulassungsverfahren.

Die neue Einteilung der Medizinprodukte in vier Risikoklassen verschiebe insgesamt den Schwerpunkt in Richtung der höheren Risikoklassen. Das bedeute für die Industrie in Deutschland Mehrkosten von mehr als 100 Millionen Euro im Jahr.

Um kleine Unternehmen zu entlasten, solle es reichen, Produktinformationen nur in einer Amtssprache einzureichen, fordert das Parlament. (af)

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