Lebertransplantationen

Uniklinik Essen erneut in der Kritik

Eine Prüfkommission bemängelt "systematische Unregelmäßigkeiten" bei Lebertransplantationen in der Uniklinik Essen. Es wäre nicht das erste Mal.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Lebertransplantation: Kontrolleure haben an der Uniklinik Essen Unregelmäßigkeiten moniert.

Lebertransplantation: Kontrolleure haben an der Uniklinik Essen Unregelmäßigkeiten moniert.

© Uniklinikum Münster / dpa

KÖLN. Die Universitätsklinik Essen sieht sich erneut schweren Vorwürfen wegen des Vorgehens bei der Organtransplantation ausgesetzt. Laut der Prüfungs- und Überwachungskommission von Bundesärztekammer, GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft (PÜK) ist es in der Vergangenheit in dem Haus zu systematischen Unregelmäßigkeiten bei Lebertransplantationen gekommen. Die PÜK hat die Essener Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Uniklinik hält die Vorwürfe für haltlos.

Vor mehr als zehn Jahren hatte ein Skandal um den Transplantationschirurgen Professor Christoph Broelsch das Haus erschüttert. Er hatte von schwerstkranken Patienten "Spenden" für die Behandlung verlangt und war zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Verstöße in erheblichem Umfang

Als Teil ihrer Prüftätigkeit hatte die PÜK im Mai und im Dezember 2016 die Lebertransplantationen an der Essener Klinik in den Jahren 2012 bis 2015 unter die Lupe genommen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Uniklinik in erheblichem Umfang gegen die Richtlinien verstoßen hat. "Die Vielzahl der Verstöße zwingt auch zu dem Schluss, dass es sich nicht lediglich um bloße Versehen handelt, sondern um ein willentliches und systematisches Vorgehen", heißt es in einem Bericht.

Bei 14 Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom gab es demnach keine ausreichende Sicherung des Karzinoms innerhalb der Mailand-Kriterien. Zwar seien die Eingriffe für das Transplantationszentrum mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden gewesen. "Dies entbindet das Zentrum aber nicht von seiner Verpflichtung, im Interesse aller Patienten richtliniengemäß zu arbeiten." Ähnliches gelte für die festgestellten Verstöße bei der Organvergabe an Alkoholkranke. Laut PÜK ist es in acht Fällen zu einer Lebertransplantation gekommen, obwohl die Patienten zuvor nicht mindestens sechs Monate abstinent gewesen waren.

In weiteren Fällen habe die Uniklinik im beschleunigten Verfahren Organe an andere Patienten vergeben als die, die ursprünglich gemeldet worden waren. Die Prüfer fanden aber keine Anhaltspunkte dafür, dass dies geschah, um Patienten zu Unrecht zu begünstigen. Zudem gab es keine Hinweise darauf, dass Privatversicherte bevorzugt behandelt oder transplantiert wurden.

Uniklinik: Irreguläre Kontrolleure

Die Uniklinik Essen fühlt sich zu Unrecht kritisiert und fährt ihrerseits schweres Geschütz auf. Der Bericht beruhe auf "unzutreffenden medizinischen Annahmen", heißt es in einer Stellungnahme. Die Klinik geht sogar so weit, den Kommissionsmitgliedern die spezifische Fachkompetenz abzusprechen und die PÜK als "irreguläre Kontrollinstanz" zu bezeichnen.

Das Klinikum räumt ein, bis Mai 2016 die Dokumentationspflichten nicht hinreichend beachtet zu haben. Ziel sei aber immer gewesen, so weit medizinisch vertretbar grenzwertige Organe möglichst effektiv zu verwenden. "In keinem Fall hat die sogenannte Prüfungs- und Überwachungskommission nachweisen können, dass der jeweilige Empfänger ein Organ zu Unrecht bekommen hätte."

Man nehme die Kritik ernst und analysiere sie akribisch, sagt der Ärztliche Direktor Professor Jochen Werner. Die "unter Einbeziehung nationaler und internationaler Transplantationsexperten sowie ausgewiesener Juristen" vorgenommene Aufarbeitung belege, dass die Dokumentationsmängel abgestellt und die weiteren weitgehend haltlos seien. Werner mahnt gesetzliche Regelungen an, um die Lebertransplantation rechtssicher zu machen. "Fest steht jedenfalls, dass am Universitätsklinikum Essen zu keiner Zeit willentlich und bewusst Rechtsverstöße stattgefunden haben."

Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sagte, die Staatsanwaltschaft müsse die Vorgänge jetzt strafrechtlich bewerten.

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