"Um den Erfolg bei Transplantationen zu erhöhen, ist ein neues Gesetz notwendig"

Aufgrund des Spendermangels bekommen immer kränkere Patienten immer ältere Organe, kritisieren Ärzte.

Veröffentlicht:
8000 Menschen in Deutschland brauchen eine neue Niere.

8000 Menschen in Deutschland brauchen eine neue Niere.

© S. Drolshagen / fotolia.com

HAMBURG (ugr). Deutschlands Transplantationsmediziner fordern Änderungen im Transplantationsgesetz, um die Zahl der Organspender zu erhöhen und die Erfolgsaussichten nach einer Transplantation zu verbessern. "Die Ein-Jahres-Überlebensraten nach Lebertransplantationen sind von über 90 Prozent aufgrund der Organknappheit und veränderter gesetzlicher Regelungen zur Verteilung der Spenderorgane auf 72 Prozent gefallen", sagte Professor Björn Nashan vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf beim Kongress der Transplantationsmediziner in der Hansestadt. 2009 wurden in Deutschland 1179 Lebern transplantiert, aber auch 1 853 Patienten zur Transplantation angemeldet.

Im Dezember 2006 wurden die Verteilungsregeln für Spenderlebern in Deutschland nach US-Vorbild auf den MELD-Score (Model for Endstage Liver Disease) umgestellt. Dieser berechnet anhand mehrerer Laborwerte die Überlebenschancen des Patienten. Je höher der Wert auf der von 6 bis 40 reichenden Skala, desto schwerer ist der Patient erkrankt.

In den USA, wo nach Angaben Nashans doppelt so viele Spenderlebern zur Verfügung stehen, haben transplantierte Patienten im Mittel einen Krankheitsscore von 22, in Deutschland betrage dieser 35. Laut Definition beträgt bei einem solchen Patienten die Sterbewahrscheinlichkeit in den nächsten drei Monaten 60 Prozent. Ob hier aus medizinischer Sicht eine Transplantation noch sinnvoll ist, sei oft fraglich, so Nashan. Der Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Professor Uwe Heemann aus München, forderte: "Wir benötigen dringend ein Gesetz, das die Erfolgsaussichten mehr in den Vordergrund stellt und sich nicht - wie bisher - beinahe ausschließlich nach der Dringlichkeit richtet." Diese Regelung müsse selbstverständlich in Einklang mit ethischen Fragestellungen stehen.

Herzchirurg Professor Hermann Reichenspurner aus Hamburg warf zudem Politik und Bundesärztekammer eine zögerliche Haltung bei der Einführung der Widerspruchslösung vor. Diese sieht ja vor, dass jeder Organspender werden kann, wenn er sich nicht zu Lebzeiten ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat. "Der Deutsche Ethikrat und der Deutsche Ärztetag haben Empfehlungen für die Widerspruchslösung ausgesprochen, wir Transplantationsmediziner begrüßen sie sowieso. Aber an der Umsetzung hapert es bis heute."

In Deutschland warten 12 000 Menschen auf ein Spenderorgan, mehr als 8 000 auf eine neue Niere. Am Dienstag wird auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler für Organtransplantationen werben.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!