Der Bufdi - eine "politische Sensation"

Der freiwillige Dienst sorgt für eine Überraschung: Viel mehr Menschen als anfangs gedacht begeistern sich dafür. Mittlerweile gibt es mehr Interesse als freie Plätze. Bloß etwas mehr Geld aus der Politik wäre nicht schlecht.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Auch ein Bufdi: Betreuung beim Essen im Seniorenheim.

Auch ein Bufdi: Betreuung beim Essen im Seniorenheim.

© Patrick Pleul / dpa

NEU-ISENBURG. Das Fiasko für die sozialen Einrichtungen ist ausgeblieben: Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) hat im ersten Jahr seines Bestehens mehr als 35.000 Menschen für den Dienst überzeugen können - sehr zur Überraschung von Sozialexperten und Politikern.

Die zuständige Ministerin Kristina Schröder (CDU), die gerne für ihre politische Arbeit kritisiert wird, zeigt sich in Zeitungsinterviews stolz über diese Entwicklung: "Was bisher über eine Dienstpflicht lief, funktioniert jetzt fast nahtlos über Freiwilligkeit. Das ist eine politische Sensation", sagte sie der Zeitung "Die Welt".

Und tatsächlich: Entgegen der Unkenrufe zu Beginn des BFD hat der Dienst überzeugt. Rund 50.000 Menschen interessieren sich für einen Dienst, 35.000 BFD-Stellen gibt es.

Diese hohe Nachfrage überrascht, war doch vor einem Jahr mit deutlich weniger Interessierten nach dem Wegfall der Wehrpflicht gerechnet worden.

Die Bundesregierung schreibt in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken: "Wir sind, weniger als ein Jahr nach der Aussetzung der Wehrpflicht, einer Kultur selbstverständlicher Freiwilligkeit näher als je zuvor."

Experten sehen das hohe Interesse mit Freude, warnen aber vor zu viel Euphorie: "Wenn etwas neu eingeführt wird, ist das Interesse immer hoch. Jetzt müssen wir schauen, dass der Zuspruch anhält", sagt Michael Bergmann von der Caritas im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Nachfrage größer als das Angebot

Derzeit werden im BFD und im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) bis zu 70.000 Plätze finanziert, "die Nachfrage liegt bundesweit bei über 100.000 Plätzen" erklärt Reiner Hub von der Diakonie der "Ärzte Zeitung".

"Vor Einführung des Bundesfreiwilligendienstes war die Nachfrage doppelt so hoch wie die Zahl der vorhandenen Plätze. Jetzt können mit Freiwilligem Sozialem Jahr und Bundesfreiwilligendienst zusammen theoretisch genug Plätze angeboten werden, es gibt jedoch nicht genug Mittel, um alle Plätze zu besetzen", sagt Hub.

In den Einrichtungen der Diakonie und der evangelischen Kirche haben 4600 Menschen einen Platz im Bundesfreiwilligendienst, davon sind rund 80 Prozent unter 27 Jahren.

Doch mehr Geld für die Freiwilligendienste hat der Haushaltsausschuss des Bundestages nicht freigegeben. Auch Ministerin Schröder bedauert dies: "Leider haben die Haushaltspolitiker aller fünf Bundestags-Fraktionen übereinstimmend gesagt, dass im Moment keine zusätzlichen Mittel vorhanden sind."

Zum ersten Jahrestag des Bundesfreiwilligendienstes fordern Träger und Sozialverbände erste Reformen, wenn es um das Vergabeverfahren sowie um die Bildungsseminare geht.

So bemängelte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung", dass die Vergabepraxis der Stellenkontingente oft nicht transparent genug laufe.

So sei in einigen Regionen oftmals nicht klar, warum einige Plätze dem einen Träger zugeteilt und andere Stellen nicht bewilligt werden.

Probleme bei der Fortbildung

Weitaus größerer Unmut gibt es bei den Trägern über die Bildungsseminare, die jedem Freiwilligen im BFD zustehen: Wie im früheren Zivildienst und im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) hat jeder Anspruch auf eine Fortbildung von 20 Tagen.

Die Fortbildungseinrichtungen sind inzwischen zu Stoßzeiten überfüllt - politische Bildung bleibe für die Freiwilligen im BFD nach Meinung der Verbände auf der Strecke.

Daher wollen die Trägerverbände künftig die Seminare zur politischen Bildung, wie beim FSJ, selbst anbieten. "Wir sehen diesen Vorschlag als Ergänzung zu den Angeboten der Bildungszentren", macht Michael Bergmann von der Caritas deutlich.

Generelle Kritik an dem Bundesfreiwilligendienst findet sich in der politischen Landschaft nur noch selten - Harald Koch, Experte für bürgerschaftliches Engagement in der Bundestagsfraktion der Linken, ist einer der wenigen Kritiker.

Er hat erhebliche Zweifel, ob der Bundesfreiwilligendienst nicht doch an immer mehr Stellen sozialversicherungspflichtige, qualifizierte Arbeitsplätze ersetzt.

Kompensieren die Freiwilligen die Pflegefachkräfte?

Seiner Erfahrung aus seinem Wahlkreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) nach werden langsam aber sicher immer mehr Freiwillige als Kompensation von Pflegefachkräften eingesetzt.

"Die arbeiten als vollwertige Pflegekräfte, sind dafür aber fachlich überhaupt nicht ausgebildet", erklärte Koch im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Als Grund sieht er den wirtschaftlichen Druck, der auf immer mehr Pflegeeinrichtungen liege.

Auf seine Nachfrage bei der Bundesregierung antwortet der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium so: "Im BFD sind bisher keine Verstöße gegen die Arbeitsmarktneutralität festgestellt worden."

Zwar habe es im früheren Zivildienst vereinzelt Verstöße gegeben, die aber nicht festgehalten wurden.

Laut Familienministerium gebe es mehrere Kriterien, mit denen geprüft wird, ob eine BFD-Stelle keine "echte" Stelle verdrängt.

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Kommentare
Thomas Fuchs 02.07.201220:33 Uhr

Qualitätsjournalismus?

Die Familienministerin steht nicht in der Kritik, weil Sie vom Zuspruch zum BFD überrascht ist:

>>Die zuständige Ministerin Kristina Schröder (CDU), die gerne für ihre politische Arbeit kritisiert wird, zeigt sich in Zeitungsinterviews stolz über diese Entwicklung: "Was bisher über eine Dienstpflicht lief, funktioniert jetzt fast nahtlos über Freiwilligkeit. Das ist eine politische Sensation", sagte sie der Zeitung "Die Welt".<<

Sie wird kritisiert, weil Sie ein merkwürdiges (Selbst-)Verständnis bezüglich ihres Ressorts im Allgemeinen und des Feminismus im Besonderen hat. Noch dazu zeigt sie die Wertschätzung ihres eigenen Amtes und der eigenen Projekte, indem sie den Abstimmungen darüber fernbleibt.

Wenn Sie so einen Artikel schreiben und "Schröder-Fan" sind, halten Sie die Lesenden doch bitte nicht für doof.

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