Familienpflegezeit

Nur ein zahnloser Papiertiger?

Pflegeförderung ohne Wirkung: Seit einem Jahr können Angehörige die Pflegezeit in Anspruch nehmen. Doch nur wenige Bürger haben das bislang getan. Verpufft das Pflegezeit-Gesetz?

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Ministerielle Gestik für die Familienpflegezeit.

Ministerielle Gestik für die Familienpflegezeit.

© Jens Kalaene / dpa

BERLIN. Die Anfang 2012 eingeführte Pflegezeit für Familien wird bislang kaum genutzt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten die Möglichkeit in den ersten zwölf Monaten in nicht mehr als 200 Einzelfällen in Anspruch genommen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag unter Berufung auf eine Statistik des Bundesfamilienministeriums.

Das Ministerium warnt derwek. davor, das Modell der Familienpflegezeit voreilig abzuschreiben. Es gebe keinerlei Statistik zur bisherigen Nutzung des Angebots, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin.

Es lägen lediglich Zahlen über jene Fälle vor, in denen das Bundesfamilienamt in Köln bei der Organisation geholfen habe.

Ministerin Kristina Schröder (CDU) wollte mit dem Gesetz ursprünglich Menschen die Chance geben, ihren Beruf und die Pflege eines Angehörigen besser miteinander zu vereinbaren.

Vorgesehen ist, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren können, um nahe Angehörige zu pflegen. Um in dieser Zeit finanziell abgesichert zu sein, zahlt der Arbeitgeber ein höheres Gehalt, zum Beispiel 75 Prozent der bisherigen Bezüge.

Nach Ende der Pflegezeit müssen die Arbeitnehmer dann so lange zu einem geringeren Gehalt arbeiten, bis der Vorschuss ausgeglichen ist. Auf diese Form der Auszeit besteht aber kein Rechtsanspruch.

Ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums sagte, das Beispiel der Altersteilzeit, die sehr ähnlich organisiert gewesen sei und nach zehn Jahren 100.000 Teilnehmer hatte, zeige, dass solche großen gesellschaftlichen Vorhaben eine Anlaufzeit brauchen.

Er riet außerdem davon ab, aus den jüngsten Zahlen der Familienpflegezeit falsche Rückschlüsse zu ziehen. Er rief dazu auf, das Angebot zu nutzen.

Es bedeute eine deutliche Verbesserung gegenüber der früheren Regelung, bei der Arbeitnehmer sich nur bei komplettem Gehaltsverzicht eine Auszeit von bis zu einem halben Jahr nehmen konnten, um nahe Angehörige zu pflegen. Bei der Etablierung des neuen Angebots sei ein langer Atem nötig, sagte er.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte hingegen die Regelung. Die Zahlen belegten, dass das Gesetz nicht notwendig sei, sagte ein Sprecher.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten je nach Einzelfall und Betrieb selbst etwas für Pflegezeiten vereinbaren.

Die stellvertretende DGB-Chefin Ingrid Sehrbrock monierte andererseits den fehlenden Rechtsanspruch. Dadurch fehle dem Gesetz die "soziale Prägekraft" und der "soziale Mindeststandard". (dpa)

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